In Europa steigt die Sehnsucht nach dem "starken Mann" - seit 1990 alle zehn Jahre um ungefähr zehn Prozent. Nach einer Studie der deutschen Ebert-Stiftung waren es 2010 in Polen und Portugal 60 Prozent, in Frankreich und Großbritannien 40 Prozent. 2008 wurden im Österreich-Teil der "Europäischen Wertestudie" 37 Prozent ausgewiesen. Also dürfte der Prozentsatz der Anhänger einer autoritären Führung in Österreich auf französischem bzw. britischen Niveau liegen.

Gleichzeitig steht im Demokratiebefund der "Initiative Mehrheitswahlrecht und Demokratiereform", dass 80 Prozent der Bevölkerung den Politikern nicht mehr vertrauen.

Gute Voraussetzungen für Frank Stronach, dessen Auftrittsfrequenz vergangene Woche mit der eines Regierungschefs vergleichbar war: Auftakt am Montag im Privatfernsehen, Megaparty am Donnerstag im "Magna Racino", Samstag im Journal zu Gast auf Ö1 und Sonntagabend Im Zentrum des ORF-Fernsehens.

Der austrokanadische Milliardär hat dabei zwei Positionen bezogen bzw. wiederholt, die im europäischen Demokratiegefüge zu denken geben. Immer wieder sagt er, seine Mitarbeiter (vom kleinen Abgeordneten bis zum eventuellen Minister) müssten seinen "Werten" folgen. Am Samstag lehnte er auch Koalitionen ab. Das heißt, er will die Alleinherrschaft.

Stronach überträgt die Führungsstruktur eines Großunternehmens wie Magna auf die Republik Österreich. Da er "Werte" so stark betont, liegt der Verdacht nahe, dass er sogar eine Art Vatikan vor Augen hat, mit einem Papst Stronach an der Spitze und einem "Weisenrat" zur Seite, der dem Kardinalskollegium entsprechen würde.

Wer dann seine zehn Gebote nicht befolgt, wer sich nicht an seine Glaubenslehre hält, der fliegt. Das ist eine Gehorsamkeitsstruktur, die freilich ebenso populär ist wie der Mythos vom "starken Mann". 40 Prozent der Österreicher waren 2008 laut zitierter Studie der Meinung, Kinder müssten vor allem lernen, gehorsam zu sein.

In einem Karikatur-Tableau zum Jahr 2025 lässt Standard-Zeichner Oliver Schopf den Bundeskanzler Frank Stronach (93) nach dem Ministerrat den Journalisten gegenüber sagen: "Ihre Fragen stelle ich mir schon selbst." In der Tat droht hinter dem oberflächlich so hehren und volkstümlichen Politikkonzept das Ende der Gewaltenteilung. Sie zu schwächen - damit hat Jörg Haider begonnen, und daran arbeitet auch die momentane Regierung mit Werner Faymann als Hauptakteur.

Aber ein Machtgefüge à la Stronach wäre die Vollendung der Sehnsucht vieler Politiker nach einer Ausschaltung der Kontrolle. Ungarn unter Viktor Orbán kann als Vorbild gelten. Ein von einer Partei gelenktes Parlament, gegängelte Medien. Vor allem: eine lahmgelegte Verfassung. (Gerfried Sperl, DER STANDARD, 1.10.2012)