Für Frank Stronach ist der Euro eine Fehlkonstruktion.

Foto: Erwin Scheriau

Frank Stronach hat (so wie Heinz-Christian Strache) in zahlreichen Interviews, Sommer- und Herbstgesprächen eine neue Währungsunion der "starken" EU-Länder als Antwort auf die Finanzkrise eingebracht. Eine "harte" neue Währung müsse her, ausschließlich für Länder, die ob ihrer guten wirtschaftlichen Stellung die Beteiligung an einer solchen Union verdienen. Ganz zufällig handelt es sich hier um Länder, die auch schon geschichtliche Vorgänger als zusammengehörig empfanden: Österreich, Deutschland, Niederlande, Dänemark. Nur sprach man damals nicht von "Wirtschaftsleistung" oder "ähnlichen Kulturen", sondern von Rasse.

Vergewaltigung Einheitswährung

"Eine gemeinsame Währung - das kann nie funktionieren. Nie!", sagt Franz Strohsack a.k.a. Frank Stronach im "Österreich"-Interview über die EU. Der Grund: "Jedes Volk in Europa hat eine andere Kultur - die kann keiner zu einer Einheitswährung vergewaltigen." Nur Länder mit ähnlichen Kulturen könnten eine gemeinsame Währung haben. Deshalb sei der Euro an sich eine Fehlkonstruktion. Eine Währung, auf die man sich einigen konnte, hat beispielsweise im Altertum für "verschiedene Kulturen" einen nicht zu überschätzenden Wert bedeutet. Davon haben Stronach und Strache wohl nicht gehört.

Abgesehen von der deplatzierten Sprache (als hätte man Länder zum Beitritt gezwungen!) und der willkürlichen Verbindung, die hier zwischen "Kultur" und Währung hergestellt wird (niemand widerspricht oder fragt nach, als wäre das selbstverständlich!) - spinnen wir diesen Gedanken einmal weiter: Wie verhält sich dieser Vorschlag in einer zunehmend heterogener werdenden Gesellschaft? Wie wird bestimmt, wer welche Kultur hat und also welche Währung über den Ladentisch schieben darf? Und was macht man mit anerkannten Minderheiten? Dürfen wir demnächst also auf eine eigene Währung für Kärntner Slowenen und Burgenlandkroaten hoffen?

Heiliger Strohsack

Interessant, dass gerade Stronach als erfolgreicher Austro-Kanadier zu diesen Ansichten über Währung und Kultur kommt. Denn Kanada ist nicht nur Einwanderungsland schlechthin, sondern auch ein sprachlich zweigeteiltes Land: Englisch und Französisch. Verschiedene Kulturen, könnte man argumentieren - trotzdem eine Währung: der kanadische Dollar. Man könnte jetzt auch, frei nach manchen User-Postings bei österreichkritischen Beiträgen von Migranten, sagen: "Herr Strohsack, wieso gehen Sie nicht zurück nach Kanada und beglücken dort die Menschen mit Währungssegregation?"

Bauern!

Im Puls4-Herbstgespräch hat Stronach die südlichen Länder der EU als Agrarwirtschaften bezeichnet. Das zeugt nicht nur von Unwissen, das in platten Verallgemeinerungen resultiert, sondern entlarvt sein Denken in einem entscheidenden Punkt: Griechenland, Italien und Spanien seien also "Agrarländer", die (deshalb) nicht zu einem starken Nordeuropa oder seiner Währungsunion dazugehören. Das impliziert, dass Ackerbau und Nahrungsmittelproduktion weniger prestigeträchtige, weniger "wichtige" Aufgaben in einer (Währungs- oder Länder-)Union sind. Diese niederen Aufgaben können ruhig die "draußen" übernehmen. Und durch die Verweigerung von Entwicklungsmöglichkeiten, die die EU beispielsweise bedeutet, auch gefälligst so unterentwickelt bleiben. Das sind tief imperialistische Vorstellungen.

Haptisches Gut

Der Wunsch nach einer anderen, neuen Währungsunion - sei es jetzt der Nordeuro oder eine Rückkehr zum Schilling - ist der verzweifelte Versuch, komplizierte, undurchschaubare Prozesse wie Weltwirtschaft, Inflation und Rezession leichter begreiflich zu machen. Angreifbar, im wahrsten Sinne des Wortes: Denn Währung ist ein tagtägliches haptisches Gut. Es scheint das einzig Sichtbare, Greifbare zu sein, woran man sich im intransparenten Kreislauf der Wirtschaft festzuhalten meint. Folglich muss sich eine massenwirksame Argumentation um das identitätsstiftende "Kulturgut" Währung drehen. Und wenig mit wirtschaftlichen Tatsachen und Überlegungen zu tun haben, sondern eher mit Emotion.

Ansichten eines Strohmanns

Abstruse Nordeuro-Vorschläge und EU-Ausstiegsszenarien reihen sich ein in die zahlreichen verkürzten Darstellungen wirtschaftlicher Prozesse ein, die die politische Debatte momentan dominieren. Man denke nur an die unsäglichen Vergleiche zwischen Betriebswirtschaft und Volkswirtschaft, deren Hochkonjunktur ebenfalls Mr. Stronach verursacht hat. Der Zweck: eine einfache Antwort auf schwierige Fragen und verunsichernde, beunruhigende Entwicklungen zu finden. Das war immer das Spezialgebiet gefährlicher Demagogen. (Olja Alvir, daStandard.at, 1.10.2012)