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Nach dem Prozess ist - vielleicht - vor dem Prozess. Anwalt Josef Philipp Bischof, Freigesprochener Elmar Völkl, weitere Beschuldigte Sabine Koch und Felix Hnat bei der Pressekonferenz.

Foto: APA/Pfarrhofer

Wien/Wiener Neustadt - Der Finanzprokuratur steht in den kommenden Tagen Post jener acht Aktivisten ins Haus, die im Tierschützerverfahren vor 17 Monaten in allen Punkten freigesprochen worden sind. Inhalt der Schreiben: Die Aufforderung, an die Ex-Beschuldigten, mehr als 800.000 Euro zu zahlen, als Entschädigung für bis zu 104 Tage U-Haft, Verdienstentgänge sowie als Schmerzensgeld.

"Wir verlangen für jeden Einzelnen einen sechsstelligen Eurobetrag, im unteren Bereich, aber nach oben hin offen", erläutert Anwalt Stefan Traxler. Denn mit den Höchstsummen, die Betroffenen von Staats wegen zuerkannt werden, sei es nach "diesem Monsterprozess" nicht getan.

Tatsächlich können Personen, die von dem Einzelrichter von jedem strafrechtlichen Verdacht reingewaschen wurden, der öffentlichen Hand bis zu 1250 Euro Verteidigungskosten in Rechnung stellen. Pro Tag ungerechtfertigter U-Haft gibt es außerdem zwischen 25 und 100 Euro. Macht pro Person im Tierschützerprozess maximal 11.650 Euro Entschädigung: zu wenig, glaubt Traxler.

Weiter angeklagt

Keine Entschädigungsaussicht, auch nicht auf diese Summe, hat hingegen zum Beispiel Felix Hnat. Das Mitglied der Veganen Gesellschaft Österreich ist einer jener fünf Beschuldigten, deren Verfahren weitergeht, weil der Wiener Neustädter Staatsanwalt Wolfgang Handler gegen ihre Freisprüche zum Teil Nichtigkeit und Berufung erhoben hat.

Denn obwohl auch diese fünf vom Vorwurf, einer kriminellen Organisation laut Paragraf 278a anzugehören, rechtskräftig enthoben wurden: Der erneuerte Verdacht lautet auf versuchte schwere Nötigung und Tierquälerei, Sachbeschädigung und Widerstand gegen die Staatsgewalt.

Am Dienstag schilderte Hnat vor Journalisten seinen sozialen Abstieg wegen des Prozesses: "Ich habe meine Doktorarbeit abgebrochen, musste Sozialhilfe beantragen und finde keinen Job. Das Verfahren geht weiter, ich kann keinem Arbeitgeber versprechen, jeden Tag zu kommen." Auch Sabine Koch von der Basisgruppe Tierrechte erzählte von "massiver Belastung seit über vier Jahren."

"Angriff auf die Meinungsfreiheit"

Kern von Handlers Berufung, gegen die nun beim Oberlandesgericht berufen wird, sei der Vorwurf der versuchten schweren Nötigung von Textilfirmen im Zuge von Antipelzkampagnen, erläuterte Anwalt Josef Philipp Bischof. Etwa durch Klopfen auf das Autodach einer Firmensprecherin bei einer Kundgebung oder durch die Ankündigung, vor Filialen permanent zu demonstrieren.

Die Demos seien alle legal gewesen, sagte Bischof. Er sprach von einem "Angriff auf die Meinungsfreiheit": Eine Befürchtung, die der Linzer Strafrechtler Alois Birkl bauer teilt. Durch die Nicht-untersagung sei Nötigung durch die Demo an sich auszuschließen. Handlers Argumente erinnerten ihn an "Versuche um die Jahrtausendwende, Streiks gegen die Pensionsreform zu kriminalisieren". (Irene Brickner, DER STANDARD, 3.10.2012)