Brüssel/Wien - Bisher war die EU-Schifffahrtsbranche vom Kauf von Treibhausgas-Zertifikaten ausgenommen. Dies scheint auch so zu bleiben, schließlich hat sich Brüssel mit dem Versuch, neben den europäischen auch ausländische Fluglinien in das Emissionshandelssystem einzubinden, ziemlich die Finger verbrannt: Die Ablehnung von Staaten wie den USA und China, hierbei mitzumachen, ist groß. Und die europäischen Fluglinien beklagen einen Wettbewerbsnachteil, wenn sie für internationale Flüge Treibhausgas-Zertifikate kaufen müssen - und die internationale Konkurrenz nicht.
Ein ganz ähnliches Problem könnte der EU-Kommission auch bei der Schifffahrt drohen, weshalb das Geschäft der Reedereien bisher vom Europäischen Emissionshandelssystem (ETS) ausgenommen war. Dennoch wurde nun ein Vorstoß in Sachen Reglementierung unternommen. Die EU-Kommissare für Klima und Verkehr, Connie Hedegaard und Siim Kallas, kündigten diese Woche an, ein System installieren zu wollen, mit dem die Branche ihre Treibhausgasemissionen in einem ersten Schritt melden muss. Noch heuer soll entschieden werden, wie dieses Reportingsystem auszusehen hat. Hedegaard sagte, es gebe dann eine ganze Reihe von "marktbasierenden Möglichkeiten", um den CO2-Ausstoß der Branche zu begrenzen. Nicht festlegen wollte sie sich, ob die Schifffahrt in das EU-Emissionshandelssystem einbezogen wird - so wie energieintensive Industriebetriebe, Energieversorger und seit 1. Jänner 2012 die Fluglinien.
Laut Kommission entfallen an die drei Prozent der Kohlendioxid-Emissionen auf den Schiffsverkehr, weltweit. 900 Millionen Tonnen CO2 gehen jährlich auf dieses Konto. Dies ist wesentlich weniger als das, was vom Auto oder von Flugzeugen stammt. Doch würden sich ohne Gegenmaßnahmen die Kohlendioxid-Emissionen aus der Schifffahrt bis 2050 verdoppeln.
Andere ins Boot holen
Wie beim Flugverkehr auch, versucht die EU-Kommission bei der Schifffahrt internationale Partner mit ins Boot zu nehmen. Man arbeite auf ein internationales Abkommen hin, so die Generaldirektion Klima in einer Aussendung. Dies war bisher aber nicht besonders erfolgreich. Die Internationale Schifffahrtsorganisation IMO verweist darauf, dass die Schifffahrtsemissionen durch freiwillige Maßnahmen reduziert werden: Sowohl beim Design als auch bei neuen Motoren und Schiffsschrauben sei einiges an Einsparungen möglich.
Im Juli des Vorjahres hat die IMO einen Energy Efficiency Design Index vorgestellt. Dies ist eine Art "Energieeffizienzpickerl" für Schiffe. Dieser Index gilt international ab dem Jahr 2015 - allerdings nur für neuen Schiffe.
In einer ziemlich verfahrenen Situation befindet sich die Kommission aufgrund der Einführung des Emissionshandelssystems auch für ausländische Fluglinien. Wie berichtet, weigern sich nichteuropäische Staaten, allen voran die USA, dass ihre Fluglinien, die die EU anfliegen, CO2-Zertifikate kaufen müssen. Dieses System gilt seit Jahresbeginn; spätestens im Frühjahr 2013 sollte erstmals abgerechnet werden. (Johanna Ruzicka, DER STANDARD, 4.10.2012)