Es war einmal auf einer seligen Insel, auf der am Monte Sori in einer Stadt namens Waldorf eine kinderreiche Familie lebte. Mutter Charlotte und Vater Loris waren ehrsame Handwerksleute, die mit ihren Kindern in einem Haus mit Garten lebten. "Unsere Kinder", sagten die Eltern immer, wenn sie von Emmi, Rudolf, Elfriede, Friedrich, Jasper, Leopold, Theresia und Johann Heinrich sprachen, "sollen mit ihren Onkeln und Tanten spielen, voneinander lernen und es einmal besser haben als wir."

Die Eltern verwalteten einen Wald, den die Kinder liebten. Doch eine Flut aus dem Westen und ein Sturm aus dem Osten beendeten die tausendjährige Idylle, sie zogen fort, nahmen Arbeiten an, um leben zu können, und schickten ihre Kinder in eine Bewahranstalt, damit sie dort in Abwesenheit ihrer Eltern körperlich und geistig überwacht würden, ihre körperlichen Kräfte und geistigen Anlagen angeregt und sie zur weiteren religiös-moralischen und geistigen Ausbildung für die Volksschulen und das Leben vorbereitet werden.

Manche der vom Monte Sori Herabgestiegenen konnten diesen Weg nicht verstehen und nannten sie "Rabeneltern" - obwohl ihnen doch bekannt sein musste, dass gerade Raben die fürsorglichsten Eltern sind. Sie sagten: "Was hat denn mir gefehlt, wo ich doch am Schürzenzipfel meiner Mutter gehangen habe?"

Vielen war es jedoch bewusst, dass es kaum mehr "einfache Arbeit" gab, sie erkannten, dass die überschaubare Insel einer weiten Welt wich, in der man sich zurechtfinden musste, um bestehen zu können. "Wissen ist Macht", sagten die Eltern und lernten vieles, wovon die Eltern in Waldorf nicht einmal ahnten, dass es das geben könnte.

Und sie dachten oft an ihren Pfarrer Hoerfarter, der gerne mit seinen Diakonissen über die Caritas sprach, was, wie er ihnen erklärte, vor allem gegenseitige Achtung bedeutet. "Wie soll mein Kind lernen, wenn es allein ist?", fragten sie sich und führten ihre Kinder zu Pädagoginnen und Pädagogen, bei denen sie im Kreis vieler anderer Kinder spielend ihre Rolle fanden.

Immer mehr erkannten sie, dass neben dem Mitmenschlichen auch Qualifikationen für ihre Kinder notwendig wurden, die den Schlüssel für ein gelungenes Leben boten.

Allein: Am Hof wollte man sich dieser Erkenntnis nicht und nicht stellen. Man speiste sie mit immer mehr Gärten ab, in denen immer mehr Pflanzen gesetzt wurden, ohne diese mit dem nötigen Dünger zu versehen und ihnen die notwendige Zeit für die Pflege zu gewähren. Die Pflanzen konnten nicht richtig gedeihen, alles wuchs zu einem Gestrüpp, aus dem kein Entkommen mehr möglich schien.

In diesem Gestrüpp fanden sich weder Eltern noch Kinder zurecht, selbst die Gärtnerinnen und Gärtner konnten ihren elementaren Aufgaben nicht mehr nachkommen.

Einige waren ideenreich und fanden den Mut, sich unbezahlt des Unkrauts anzunehmen. Sie wurden mit Vorschlägen aus Kammern unterstützt - allein, die Dornen waren zu dicht. Einige Gewerken fanden sogar, die Gärtnerinnen und Gärtner sollten weniger Zeit dafür haben. Kurz wurden ihnen neue Aufgaben übertragen, damit sie darüber ihre Wut vergessen. Mittlerweile lehnte ein Schmied einen Arbeitsplan zurück, um ein neunfaches heißes Eisen nicht anfassen zu müssen.

Inmitten dieser Ohnmacht wachte ein dreischwänziger Drache auf, der sich anschickte, den Gärtnerinnen und Gärtnern zu Hilfe zu eilen und die Mächtigen das Fürchten zu lehren. Der eine Schwanz, Vida genannt, wollte Platz im Gestrüpp schaffen. Der andere, Gepa, schlug für die Bezahlung aus. Der dritte, Gedege, stieß mit Macht nach, damit die Gärtnerinnen und Gärtner endlich modernes Rüstzeug für ihre Arbeit bekommen.

Aus seinem Rachen schoss Feuer hervor, um die neunfache Hecke niederzubrennen. Damit sollte ein einheitlicher Zaun entstehen. So kam es zu dem Garten, in dem für Kinder und Eltern entsprechend Zeit und Platz war. In dem die Gärtnerinnen und Gärtner mit dem notwendigen Rüstzeug hegen und pflegen konnten. Im geräumigen Haus inmitten des Gartens wurde der Fleckerlteppich gegen einen schönen, großen Teppich getauscht, auf dem den ganzen Tag über Platz war.

Und die Gärtnerinnen und Gärtner mussten nicht mehr ihre Freude an der Arbeit strapazieren, sondern erhielten auch noch ihren gerechten Lohn.

Und siehe: der Drache merkte, dass er zwar stark ist, aber nicht alleine sein muss - er schaute um sich und fand Gärtnerinnen und Gärtner, Parks, Haine und Glashäuser, die mit ihm zu ziehen bereit waren. Und er nahm sich vor, in Zukunft noch kraftvoller zu sein in dem Motto "Gemeinsam sind wir stark". (Johannes-Maria Lex, Leserkommentar, derStandard.at, 5.10.2012)