Bad Hofgastein - Geschätzte 250.000 Menschen in der EU sind nach einem terminalen Nierenversagen auf eine Dialyse oder Transplantation angewiesen. In Österreich müssen mehr als 4.000 Menschen regelmäßig zur Blutreinigung, noch einmal so viele leben mit einer gespendeten Niere, berichtete der Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Nephrologie, Erich Pohanka, am Mittwochabend beim European Health Forum Gastein (EHFG). "Diese Fälle sind aber nur die Spitze des Eisbergs. Denn Nierenerkrankungen werden allgemein zu wenig als medizinisches und gesundheitspolitisches Problem wahrgenommen."

In Europa dürften rund zehn Prozent der Bevölkerung an einer zumindest leicht eingeschränkten Nierenfunktion leiden. "Das sind etwa 50 Millionen Menschen in der EU, in Österreich 800.000", betonte auch Alexander Rosenkranz, Leiter der Klinischen Abteilung für Nephrologie der Medizinischen Universität Graz. "Schon angesichts der demografischen Entwicklung - Niereninsuffizienz nimmt mit dem Alter zu - bedeutet das eine vielfach unterschätzte Herausforderung für die Gesundheitssysteme."

Symptome einer Nierenschwäche würden oft erst nach jahrzehntelanger Erkrankung auftreten, weshalb die schlechter werdende Funktion der Niere von Betroffenen nicht bemerkt und häufig auch nicht diagnostiziert werde. "Doch auch eine leichte Niereninsuffizienz ist nicht harmlos", warnte Rosenkranz. Da eine Erkrankung der Nieren meist das Ergebnis von Bluthochdruck und Diabetes sei, geraten die Betroffenen in einen Teufelskreis von Risikofaktoren.

Gezielte Prävention

Menschen mit eingeschränkter Nierenfunktion sterben deutlich häufiger an Herzerkrankungen oder Schlaganfällen als Nierengesunde - oft lange bevor ihre Nierenerkrankung offensichtlich wird. Rosenkranz forderte daher Aufklärung und gezielte Präventionsstrategien - etwa durch ein gezieltes Screening von Risikopatienten, wie es auch die European Kidney Health Alliance verlangt.

Denn terminale Nierenversagen stellen heute eine erhebliche Belastung für die Gesundheitssysteme dar. Bereits jetzt fließen in Europa mindestens zwei Prozent der Gesundheitsbudgets in Dialyse und Nierentransplantation, ein Wert, der laut European Kidney Health Alliance in den kommenden Jahren auf fünf Prozent steigen könnte. "Die Transplantation ist sowohl was Lebensqualität, Lebenserwartung als auch Kosten betrifft, den anderen Nierenersatztherapien überlegen", erklärte Rainer Oberbauer vom Krankenhaus der Elisabethinen Linz.

Drei Jahre Wartezeit

In den ersten zwölf Monaten der Therapie würden die jährlichen Kosten nach einer Transplantation im Schnitt bei rund 50.000 Euro und damit etwas höher als bei einer Hämodialyse liegen. Ab dem zweiten Jahr sinken die Kosten der Nachbehandlung allerdings auf weniger als die Hälfte, ab dem dritten Jahr auf weniger als ein Drittel einer Dialyse-Therapie. Eine Transplantation komme allerdings nur für rund ein Viertel der Dialyse-Patienten infrage, weil bestimmte Begleiterkrankungen ausgeschlossen werden müssen.

Die durchschnittliche Wartezeit auf ein Spenderorgan beträgt in Österreich derzeit drei Jahre, darum soll in Zukunft die Lebendspende weiter gefördert werden. Derzeit kommen in Österreich nur rund zehn Prozent der transplantierten Nieren von Lebendspendern, in Norwegen sind es schon 80 Prozent.

Um diesen Wert zu erhöhen, sei eine Überarbeitung der gesetzlichen Regelung für Organtransplantationen in Österreich notwendig, erklärte Maria Kletecka-Pulker vom Institut für Ethik und Recht in der Medizin der Medizinischen Universität Wien. Ein neues Organtransplantationsgesetz, dass erstmals genaue rechtliche Regelungen für eine Lebendspende vorsehe, befinde sich in Begutachtung. (APA, 4.10.2012)