Franz Bailom.

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Die Rufe nach mehr, nach einem neuen, anderen, aber vor allem: besseren Leadership lassen nicht nach, der Ton wird dabei zunehmend schriller. Häufig gleichen die gestellten Forderungen jedoch eher simpler Marktschreierei als einer durchdachten, konstruktiven Kritik an heutigen Führungsprinzipien. Brauchbare Lösungsansätze sucht man dort vergeblich. So reduzieren sich zu viele Aussagen lediglich darauf, dass wieder "echte Visionäre" benötigt würden, die die "richtige Richtung" vorgeben. Es ist natürlich unumstritten, dass wir visionäre "Führungsköpfe" brauchen, die für nachhaltige Weiterentwicklung, Veränderung und Innovation stehen.

Es ist jedoch zu bezweifeln, ob dieser Ansatz alleine ausreicht, wenn wir uns den Unmut über die derzeit erbrachte Führungsleistung in nahezu allen Feldern unserer Gesellschaft vor Augen führen: in der Politik, in der Wirtschaft insgesamt mit ihren großen wie auch kleinen Unternehmen, im Bildungsbereich, im Sport, in der Kirche etc. Was genau könnte ein konkreter Lösungsansatz sein, der dem Leadership wieder zu wohlverdienter Anerkennung verhilft? Beginnen wir mit einer grundlegenden Frage: Warum interessieren sich überhaupt so viele Menschen für Leadership?

Viele Menschen tragen offensichtlich die Idee bzw. das Bedürfnis in sich, etwas Besonderes erreichen zu wollen. Das Thema Führung wird spätestens dann relevant, wenn ein einzelner Mensch erkennen muss, dass er zur Realisierung dieses inneren Bedürfnisses alleine nicht imstande ist und folglich auf die Unterstützung anderer angewiesen ist. Und das bedeutet wiederum, dass kooperatives Denken und Handeln in den Vordergrund treten muss. Denn der Schlüssel für Erfolgt liegt letztlich im kooperativen Denken und Handeln, was uns zur nächsten Frage führt:

Welche Form von Leadership kann kooperatives Denken und Handeln positiv beeinflussen? Wir sind der Meinung dass die Begriffe Macht, Führung und Sinn bei allen "Leadership-Logiken der Zukunft" neu gedacht werden müssen.

  • Führende sollten sich vom klassischen Machtverständnis verabschieden und sich stattdessen dafür einsetzen, die Kraft kooperativen Denkens und Handelns im Unternehmen zu stärken. Folgende Fragestellungen werden dabei relevant: Fühlen sich die Mitarbeiter der Gemeinschaft zugehörig? Vermittelt die "Gemeinschaft" den Mitarbeitern das Gefühl, gebraucht und wertgeschätzt zu werden? Können sich die Mitarbeiter gemeinsam mit anderen für etwas Wichtiges - für etwas "Größeres" - einsetzen? Hat der einzelne Mitarbeiter die Möglichkeit, seine individuelle Gestaltungskraft im Sinne der gemeinsamen Sache und Zielsetzung einbringen zu können?
  • Führende sollten sich ihrer Kernaufgabe bewusst sein. Führungsverantwortung heißt nämlich, losgelöst von persönlichen Eitelkeiten und Bereicherungen nach "Wahrheit" zu streben, ganz nach dem Motto: "Die Führungskraft im Dienste der Unternehmung" - und nicht umgekehrt.
  • Führende sollten sich vom Bild des passiven, führungsbedürftigen, hilflosen Menschen lösen. Führungsverantwortung muss stattdessen so wahrgenommen werden, dass Rahmenbedingungen geschaffen werden, die es ermöglichen, aktive, kreative und selbständige Mitarbeiter zu beschäftigen. Mitarbeiter müssen also die Möglichkeit haben, ein dynamisches Selbstbild entwickeln zu dürfen - ein Bild, das das persönliche Wachstum und das Lernen aus Fehlern ganz selbstverständlich miteinschließt.
  • Führende sollten in ihrem Unternehmen für Raum und Methoden zur persönlichen und kollektiven Sinn-Findung sorgen müssen. Auch wenn kein Unternehmen Sinn "machen" kann (jeder Mensch kann nur für sich selbst Sinn "finden"), gibt es trotzdem wichtige Bezugspunkte: Selbständigkeit und Selbstbestimmung - eine offene Unternehmenskultur - soziale Unterstützung seitens der Kollegen und Vorgesetzten - Feedback - Zugehörigkeitsgefühl zur Arbeitsstelle und Tätigkeit - Betrachtung der Arbeit in einem größeren Zusammenhang.

Auf den Punkt gebracht könnte man auch sagen: Führung macht dann Sinn, wenn sie ihre Verantwortung darin sieht, die Macht und Intelligenz der Masse sowie das Potenzial des Einzelnen durch Kooperation und Koordination sinnvoll zur Entfaltung zu bringen. (Franz Bailom, derStandard.at, 4.10.2012)