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Henrique Capriles Radonski

Foto: EPA/COMANDO VENEZUELA / HANDOUT

Mit elf verkündete der schüchterne Bub seinen Mitschülern, er wolle Präsident werden - und wurde zum Gespött. Heute lacht keiner mehr. Wo er auftaucht, löst Henrique Capriles Radonski einen Begeisterungssturm aus, als wäre er ein Rockstar. Und die Venezolaner trauen ihm zu, das Unmögliche zu schaffen: den als unschlagbar geltenden Hugo Chávez nach 14 Jahren an der Staatsspitze zu besiegen.

Das liegt vor allem an der Disziplin des 40-jährigen Marathonläufers und Motorradfreaks, der sich mit klugen Wahlkampfstrategen umgab und mit einem schmissigen, positiven Wahlkampf von Dorf zu Dorf, von Tür zu Tür zieht. Mehr als vier Stunden Schlaf sind selten drin; manchmal muss sich der studierte Anwalt mit Red Bull auf den Beinen halten. Er ist kein Sunnyboy und kein begabter Redner. Seine Mitarbeiter schätzen an ihm vielmehr Fleiß, die Fähigkeit zum Zuhören und sein freundliches Wesen.

Wie Chávez ist der asketische Herausforderer ein Besessener des politischen Lebens. Beide fingen 1999 in der Politik an; Chávez als Präsident, Capriles als Parlamentarier der christdemokratischen Copei-Partei. Beide haben noch nie eine Wahl verloren. Capriles war Bürgermeister des Hauptstadtdistrikts Baruta, 2009 besiegte er einen engen Chávez-Vertrauten im Kampf um den Gouverneursposten im wichtigen Bundesstaat Miranda. Beide saßen für ihre politischen Überzeugungen im Gefängnis. Chávez wegen eines Putschversuchs, Capriles, weil er als Bürgermeister Demonstrationen vor Kubas Botschaft erlaubt hatte.

Die Monate im Gefängnis hätten ihn in seiner Überzeugung gestärkt, sagt der tief religiöse Capriles, dessen Großmutter mütterlicherseits Holocaust-Überlebende ist. Nachdem sie sich 20 Monate in einem Keller im Warschauer Ghetto versteckt hatte, konnte sie nach Venezuela fliehen. Sein Großvater stieg in der neuen Heimat rasch auf zu einem einflussreichen Kinobesitzer. Capriles' Vater ist niederländischer Abstammung; der Familie gehören Immobilien, Medien, Industrie- und Dienstleistungsunternehmen.

Geldmangel herrscht nicht im Hause Capriles, trotzdem gilt Henrique als bescheiden und zurückhaltend. Sein Outfit besteht meist aus Jeans, Shirt und Baseballkappe, in Miranda ist er viel zu Fuß unterwegs. Sechs Jahre lebte er mit einer venezolanischen Fernsehmoderatorin zusammen. Verheiratet war er nie. Dafür sei nach der Wahl Zeit, vertröstet er seine weiblichen Fans. (Sandra Weiss, DER STANDARD, 5.10.2012)