Chiles First Lady Cecilia Morel (re.) und Margit Fischer im Wiener Konzerthaus.

Foto: Gabinete Primera Dama

Wien - Standing Ovations gab es am Mittwoch im Wiener Konzerthaus für den ersten Auftritt von Chiles Nationalem Jugendsymphonieorchester, das Beethovens Siebente und die Werke chilenischer Komponisten spielte. "Die Reaktionen haben unsere Erwartungen weit übertroffen", sagte Cecilia Morel, die Präsidentin der Orchesterstiftung, die dem Konzert gemeinsam mit Margit Fischer, der österreichischen "First Lady", lauschte.

Für die 74 chilenischen Musikerinnen und Musiker zwischen 18 und 24 Jahren sei das ein Höhepunkt ihres Lebens gewesen. Viele kämen aus armen Familien, manche wären vor dieser Europareise noch nie geflogen, erzählt Señora Morel, Ehefrau von Chiles konservativem Präsidenten Sebastián Piñera, im Gespräch mit dem Standard. Nach dem Vorbild der Jugendorchesterbewegung Venezuelas, die mit dem Dirigenten Gustavo Dudamel weltberühmt wurde, ist seit 1992 auch in Chile ein Netz von 16 Jugendsymphonieorchestern und hunderten kleinen Schulensembles entstanden. Für begabte Musikstudenten gibt es staatliche Stipendien.

In der Schilderung der First Lady ist Chile keineswegs ein Land sozialer Kälte, wie es nach den weltweit verbreiteten Fersehbildern von Demonstrationen tausender Jugendlicher gegen das teure Bildungssystem wirkt. Die Regierung wolle zwar nur subsidiär in die Angelegenheiten der Bürger eingreifen, habe aber hohes Wirtschaftswachstum bewirkt: "Wir sind weltweit an fünfter Stelle." Das habe zur Schaffung von Arbeitsplätzen stark beigetragen.

Den demonstrierenden Studenten wirft die "Primera Dama" Radikalisierung vor, sie wollten das ganze (neoliberale) System kippen. Nach dem Regime Pinochets habe es "ab 1990 in Chile sehr große Übereinstimmung für dieses Entwicklungsmodell gegeben, das sehr erfolgreich war". Auch seien die Studenten ungeduldig und wollten "100 Prozent ihrer Forderungen sofort erfüllt" haben. Doch dann meint Morel, dass an Chiles Bildungssystem tatsächlich vieles "von schlechter Qualität und ungerecht" gewesen sei.

So würden die Studenten fordern, dass das Verbot, private Universitäten zur Gewinnerzielung zu betreiben, auch durchgesetzte werden müsse. Die Regierung habe eine Kontrollinstanz eingesetzt, die das Verbot überwache. Zinssätze für Studienkredite wurden subventioniert, Lehrer evaluiert und weiter gebildet. Für Begabte werde die Lehrerausbildung künftig gratis sein. Stipendien solle es nicht nur für Arme geben.

Bleiben müsse aber die "Wahlfreiheit" zwischen privaten und staatlichen Schulen. Denn in Chile, so meint Morel, gebe es nicht nur das Trauma der Pinochet-Ära. Davor, in der Allende-Zeit, hätten manche kubanische Verhältnisse samt einer Einheitsschule befürchtet. (DER STANDARD, 5.10.2012)