Es gibt nicht viele Gerichtsurteile, die in Deutschland so heftig diskutiert wurden wie der Richterspruch zur Beschneidung. Geht nicht, ist Körperverletzung und daher strafbar, lautete das Urteil des Kölner Landgerichts.

Die Juristen haben dadurch eine Grundsatzdiskussion ausgelöst. Die Religionsfreiheit ist ein hohes, auch im Grundgesetz garantiertes Gut, und dazu gehört bei Muslimen und Juden nun mal die Beschneidung, argumentieren die einen. Die anderen verweisen auf das ebenfalls im Grundgesetz festgeschriebene Recht auf körperliche Unversehrtheit, das selbstverständlich auch für Kinder gelte.

Auf beiden Seiten wurde mit harten Bandagen gekämpft, der Debatte tat das nicht immer gut. Denn es ist falsch, dass jeder, der Beschneidung kritisch hinterfragt, automatisch ein Antisemit ist oder etwas gegen den Islam hat. Umgekehrt war und ist es auch nicht richtig, die Beschneidung bloß auf ein blutiges, anachronistisches Ritual, ausgeführt von Unmenschen, zu reduzieren.

Umso bemerkenswerter ist der nun von der deutschen Justizministern Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) vorgelegte Kompromiss. Dieser schafft sozusagen eine "Beschneidung light": Ja, die Vorhaut darf entfernt werden, aber das muss unter Auflagen geschehen.

Von einer Erlaubnis aus religiösen Gründen ist im Gesetzesentwurf übrigens gar nicht die Rede, es geht recht sachlich nur um den Eingriff an sich - aus welchen Motiven auch immer er durchgeführt werden mag. Das ist die richtige Entscheidung, denn die Frage, welchen Stellenwert Religion samt ihren Ritualen in einer Gesellschaft einnehmen darf, kann ohnehin nicht in Paragrafen ausgedrückt und per Gesetzestext angeordnet werden.

Diese Debatte wird in Deutschland weitergehen, aber nach Inkrafttreten des Beschneidungsgesetzes hoffentlich ein bisschen weniger aufgeregt geführt werden können. (Birgit Baumann, DER STANDARD, 5.10.2012)