"Wenn ich nicht fragen kann, wie kann ich meinem Kind dann helfen?"

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Das Eröffnungsplakat von Kibiz.

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In diesem Herbst öffnet in Wien eine besondere Kinderbetreuungsstätte ihre Pforten: das Kibiz im 20. Gemeindebezirk. Das Kinder-Bildungs- und -Integrationszentrum bietet nicht nur 300 Kindern in Krippe, Kindergarten und Familiengruppen Platz, sondern will auch zur Integration beitragen.

Der Alltag im Kindergarten des gemeinnützigen Vereins sieht fast so aus wie in anderen Kindertagesstätten. "Wir haben eine gemeinsame Jause, einen Morgenkreis und eine Aktivitätsphase, wo mit den Kindern gebastelt, gesungen und gemalt wird", sagt Renate Taurer, die pädagogische Leiterin des Kibiz. Der große Unterschied ist, dass hier von klein auf Integration durch Sprachförderung betrieben werde. "Wenn bei uns gesungen wird, passiert das gleich in mehreren Sprachen", sagt Taurer.

Hauptsprache Deutsch

Etwa die Hälfte der Kinder, die für Krippe, Kindergarten oder eine der Familiengruppen angemeldet sind, haben Migrationshintergrund. Zum reibungslosen Alltag soll beitragen, dass alle Kindergartenpädagoginnen mindestens zweisprachig sind, obwohl die Umgangssprache im Kibiz Deutsch ist.

Damit die Kinder motiviert werden, Deutsch zu sprechen und zu lernen, achten die Betreuerinnen darauf, dass nicht zu viele aus demselben Sprachraum in einer Gruppe sind. "Und wenn die Kinder einen Fehler machen, dann werden sie natürlich ausgebessert", sagt Taurer. Viele Migrantenkinder würden erst mit Beginn der Volksschule beginnen, Deutsch zu lernen. Das sei aber zu spät: "Die ersten sechs Jahre im Leben eines Menschen sind für die Sprache prägend." 

Kommunikation mit den Eltern

Auch die Eltern sollen von der sprachlichen Kompetenz der Kibiz-Mitarbeiterinnen profitieren. Viele Eltern mit Migrationshintergrund würden bei Problemen im Kindergarten nicht nachfragen, sagt Taurer. Der Grund sei, dass sich Mütter und Väter oft nicht richtig ausdrücken können. "Und wenn ich nicht fragen kann, wie kann ich meinem Kind dann helfen?" Oft würden deshalb die Kinder bei Gesprächen zwischen Pädagoginnen und Eltern übersetzen - nicht nur für die Kinder eine schwierige Situation. 

Auch viele der 40 Familien ohne Migrationshintergrund, die ihre Kinder bisher im Kibiz angemeldet haben, interessieren sich laut Taurer für die integrativen Ziele: "Wir haben Anmeldungen von Familien, die wollen, dass ihr Kind schon sehr früh mit anderen Kulturen in Kontakt kommt."

Mehr Offenheit

Der Verein will mit seinem integrativen Konzept die Gesellschaft hin zu mehr Offenheit verändern. "Bei bestimmten Sprachen wird ein regelrechter Beißreflex ausgelöst", sagt Renate Taurer. Das habe zuletzt die Diskussion über die Verwendung von türkischen Wörtern zum Erlernen des Buchstaben "Ü" in Volksschulen gezeigt. "Kinder, die schon früh mit unterschiedlichen Kulturen in Kontakt kommen, gehen automatisch anders an die Welt heran und werden sich dann darüber sicher nicht aufregen", ist Taurer überzeugt. (Franziska Zoidl, derStandard.at, 7.10.2012)