Wien - Auf dem Spiel stand ihre Existenz: Eine Apotheke in der Innenstadt Wiens sperrte sich jahrelang gegen die Vorgabe ihrer Kammer, an Samstagnachmittagen geschlossen zu halten. Die Folge waren Verwaltungsstrafen und ein Verfahren zum Entzug ihrer Konzession. Nachdem der Unabhängige Verwaltungssenat vor kurzem entschied, dass Wiens Apotheker sehr wohl individuell länger offen halten dürfen, sofern sie dabei die maximale wöchentliche Betriebszeit nicht sprengen, erringt die rebellische Apotheke nun den zweiten Etappensieg im Kampf um liberalere Öffnungszeiten.

Der Verwaltungssenat hob am Freitag auch den Konzessionsentzug auf. Das Verfahren hatte die für Sozial- und Gesundheitsrecht zuständige Magistratsabteilung 40 eingeleitet. Ihre Konzession sind Pharmazeuten in der Regel nur bei schwer wiegenden Vergehen los, beim Verkauf illegaler Suchtmittel etwa. Dass damit auch ein paar Stunden längerer Verkauf geahndet wurden, galt selbst in der Apothekerkammer als umstritten. Der Senat befand nun: Die besagte Apotheke sei weiterhin als verlässlich einzustufen.

Riskanter rechtlicher Rahmen

Durch die Branche dürfte nun ein Ruck gehen. Einige Mitbewerber haben den Ausgang des Verfahrens abgewartet, um dann über die Handhabung der eigenen Verkaufszeiten zu entscheiden, ist zu hören. Einige weitere Vorstöße in der Vergangenheit gab es bereits, in Shoppingcentern etwa und in großen Einkaufsstraßen. Bis auf die kleine Innenstadtapotheke machten aber alle wieder einen Rückzieher - zu riskant erschien ihnen der rechtliche Rahmen.

"Keiner ist dazu verpflichtet, da es nicht für jeden sinnvoll ist, es steht aber nun jedem frei, an den Samstagnachmittagen aufzusperren", sagt der Rechtsexperte Peter Krüger. Die Bedrohung eines Konzessionsentzugs sei gebannt. Alle juristischen Angriffe ließen sich künftig abwehren. Die Apotheke in der Innenstadt verkaufe ab sofort regulär an jedem Samstagnachmittag. Die Zahl ihrer Mitarbeiter werde dafür aufgestockt.

Auch wenn so mancher in der Apothekerkammer das anders sehe, "das Rad der Zeit lässt sich nicht mehr zurückdrehen", meint Krüger. In der MA 40 will man von zuvor angedrohter weiterer juristischer Verfolgung vorerst einmal etwas Abstand nehmen. Nachahmern legt Rainer Prinz, Jurist der Apothekerkammer, dennoch Vorsicht nahe. Denn rechtlich geklärt sei das Ganze noch nicht. Es gebe auch den Weg der Disziplinar anzeigen. Diese führten zum Verfassungsgerichtshof. Und dessen Judikatur lege die Causa der Ladenöffnung wie berichtet anders aus. Gespräche um eine Lösung für alle laufen derweil weiter. (Verena Kainrath, DER STANDARD, 6./7.10.2012)