Wien - Der ORF muss laut ORF-Gesetz zwei Fernseh-Vollprogramme anbieten: ORF eins und ORF 2. Die Medienbehörde KommAustria hat in ihrem Entscheid zum ORF-Programmauftrag nun festgehalten, dass der Programmmix der beiden ORF-Kanäle in der Vergangenheit so unausgewogen angelegt war, dass weder ORF eins, noch ORF 2 als Vollprogramm zu sehen sind. Laut Behörde ergeben sich daraus eine Reihe von Verstößen des öffentlich-rechtlichen Kernauftrags beziehungsweise des ORF-Gesetzes. Beim ORF gingen deshalb am Freitag die Wogen hoch, Privatsender sahen sich in ihrer Kritik an den ORF-Programmen bestätigt. Nachfolgend die entsprechenden Passagen aus dem KommAustria-Bescheid.

Für die Medienbehörde ergeben sich folgende Anforderungen an ein Vollprogramm im Sinne des §§ 3 Abs. 1 Z 2 iVm 4 Abs. 2 ORF-G:

1.) Es muss aus mindestens drei der vier Kategorien Information, Kultur, Unterhaltung und Sport bestehen;

2.) Zumindest drei Kategorien müssen dabei im Ausmaß von über 10 % des gesamten jeweiligen Programms vertreten sein;

3.) Keine der Kategorien darf mehr als zwei Drittel der Gesamtsendezeit des jeweiligen Programms auf sich vereinen;

4.) Zumindest muss jede der vier Kategorien mit mindestens 10 % entweder in ORF eins oder in ORF 2 vertreten sein (Verbot des gänzlichen "Auslassens" einer Kategorie in beiden Vollprogrammen).

Damit verbleibt dem Beschwerdegegner einerseits genügend Spielraum, die vom Gesetzgeber zumindest mittelbar anerkannte "Komplementärprogrammierung" (vgl. die Erl. zur RV 611 BlgNR, XXIV. GP, zu § 4a ORF-G) im Sinne einer unterschiedlichen Positionierung der beiden Vollprogramme umzusetzen, ohne dass andererseits im Ergebnis die beiden Vollprogramme selbst zu Spartenprogrammen werden dürfen.

Gemessen an diesen Grundsätzen ist festzustellen, dass weder das Fernsehprogramm ORF eins noch das Fernsehprogramm ORF 2 im beschwerdebezogenen Zeitraum diesen Vorgaben entsprochen haben:

Bei ORF eins lag der Anteil der Unterhaltung mit 79,4 % (01.01.2010 bis 31.12.2010) bzw. 80,82 % (01.01.2011 bis 31.08.2011) deutlich über der Zweidrittelmarke. Zum anderen lag nur der Anteil der Kategorie Sport mit 13,96 % (01.01.2010 bis 31.12.2010) bzw. 11,93 % (01.01.2011 bis 31.08.2011) über der Mindestgrenze von 10 %, wohingegen weder die Information mit 6,53 % (01.01.2010 bis 31.12.2010) bzw. 7,12 % (01.01.2011 bis 31.08.2011) noch die Kultur mit 0,11 % (01.01.2010 bis 31.12.2010) bzw. 0,13 % (01.01.2011 bis 31.08.2011) diese Schwelle überschritten haben und somit nicht als die für ein Vollprogramm erforderliche dritte Kategorie gezählt werden können.

Bei ORF 2 lag zwar der Anteil der Unterhaltung mit 39,16 % (01.01.2010 bis 31.12.2010) bzw. 38,81 % (01.01.2011 bis 31.08.2011) als auch jener der Information mit 53,01 % (01.01.2010 bis 31.12.2010) bzw. 54,29 % (01.01.2011 bis 31.08.2011) unter der Zweidrittelschwelle. Allerdings erreichte weder der Anteil der Kategorie Kultur mit 7,35 % (01.01.2010 bis 31.12.2010) bzw. 6,44 % (01.01.2011 bis 31.08.2011), noch der Anteil des Sports mit 0,46 % (01.01.2010 bis 31.12.2010) bzw. 0,46 % (01.01.2011 bis 31.08.2011) die Schwelle von 10 %, um als die für ein Vollprogramm erforderliche dritte Kategorie gezählt werden zu können.

Weder in ORF eins noch in ORF 2 hat zudem die Kategorie Kultur die Schwelle von zumindest 10 % überschritten und war insoweit entgegen der vierten oben dargestellten Anforderung nicht Bestandteil zumindest eines der Vollprogramme. Da der Beschwerdegegner damit der sich aus §§ 3 Abs. 1 Z 2 iVm 4 Abs. 2 ORF-G erfließenden Verpflichtung, jedenfalls zwei Fernsehvollprogramme mit allen vier Kategorien anbieten zu müssen, nicht entsprochen hat, war insoweit für den beschwerdegegenständlichen Zeitraum eine Verletzung festzustellen. (APA, 5.10.2012)