Wien - "Das Problem an Microsoft ist, dass sie keinen Geschmack haben." Ihre "drittklassigen Produkte" hätten "keinen Esprit", kein "Geist der Aufklärung" schwinge mit. "Sie sind so stinknormal." Die Kunden hätten übrigens auch kaum Esprit. "Microsoft ist einfach McDonald's."
Was Steve Jobs anno 1995 zum großen Apple-Rivalen zu sagen hatte, gehört zum unterhaltsamsten, was Steve Jobs - The Lost Interview zu bieten hat. Apple, das Unternehmen, mit dem er groß geworden und aus dem er bereits 1985 rausgeflogen war, sah er übrigens damals "im Sterben liegen". Der Interviewfilm, der nun, rechtzeitig zu Jobs' erstem Todestag in Österreichs Kinos kommt, zeigt einen selbstbewussten, ehrgeizigen 40-Jährigen, der auch nicht davor zurückschreckt, von den bitteren Seiten seines beruflichen Lebens zu erzählen (Apple-Rauswurf) oder selbstgerechte Urteile zu fällen (Apple-Kollegen, Microsoft, andere Konkurrenten).
Das verloren gelaubte Band, das für den Film wieder ausgegraben wurde, war 1995 Grundlage für eine Fernsehserie von Bob Cringely über die Entwicklung des Personal Computers. 1995, als Microsoft gerade mit Windows durchstartete und das Internet entdeckte und Apple nach dem Höhenflug der 80er in seiner tiefsten Krise steckte, grundelte Jobs gerade mit seiner Softwarefirma Next herum. Nur ein Jahr später sollte Next von Apple gekauft werden und die Software zur Grundlage des künftigen Betriebssystem iOS werden. Jobs sollte als große Führungsfigur zurückkehren und zum Ideengeber der darauffolgenden Erfolgsgeschichte werden.
Jobs erzählt in dem Film seine berufliche Genese, vom 10-Jährigen, der begeistert vor einer vorsintflutlichen Rechenmaschine stand, von der Manipulation von Telefoncomputern mittels Signaltönen samt Juxanrufen beim Papst, von der ersten Computerplatine für den Apple I, die entstand, weil auch Steves Freunde so coole Computer haben wollten wie er, von der "Gottesmission zur Errettung Apples" namens Macintosh bis zum "wrong guy", den er angeheuert hatte, Pepsi-Manager John Sculley, der sein vorläufiges Ende bei Apple bedeuten sollte.
In den Überzeugungen von 1995 - der Computer als großartigstes Werkzeug aus Menschenhand, die "Wunder", die Technik bewirkt, der hohe Identifikationsgrad, den er in die Produkte legte, die er in seinen Hochbegabten-Runden aushecken ließ - scheint nicht nur bereits die neuartige Kommunikationsstrategie eines künftigen Multi-Milliarden-Dollar-Konzerns durch. Sie zeigen auch einen Menschen, der an seine Arbeit wirklich glaubt, sie für hehre Kunst hält und sein Team für einen Haufen Poeten. Reich zu werden sei dagegen höchstens "sehr interessant".
1995 sah Steve Jobs in der Zukunft noch kein iPhone, aber das Web als ultimatives Kommunikationsinstrument: "Ich glaube, es wird riesig." "Aufregend" sei es auch deshalb, "weil es Microsoft nicht gehört". (Alois Pumhösel, DER STANDARD, 6./7.10.2012)