Bild nicht mehr verfügbar.

Paoplo Gabriele (im Bild ganz rechts) bei der Urteilsverkündigung in Rom.

Foto: L'Osservatore Romano/AP/dapd

Rom/Vatikan - "Ich fühle mich nicht als Dieb" - die Schlussworte des früheren päpstlichen Kammerdieners Paoplo Gabriele stimmten das vatikanische Gericht offenbar milde. Die Richter verurteilten den Ex-Butler zu 18 Monaten Haft, die Staatsanwaltschaft hatte eine dreijährige Haftstrafe gefordert. Gabriele wurde vorgeworfen, vertrauliche Dokumente kopiert und dem italienischen Journalisten Gianluigi Nuzzi zugespielt zu haben. Der Angeklagte sagte in seinem Schlusswort, er habe aus tiefer Liebe zu der Kirche und zum Papst gehandelt, berichteten vom Vatikan zugelassene Prozessbeobachter nach der Verhandlung.

Überraschend kam der Schuldspruch nicht - Gabriele gestand am Dienstag, vertrauliche Dokumente aus dem Vatikan entwendet zu haben. Der 46-jährige, gegen den der Prozess seit einer Woche lief, beobachtete die Urteilsverkündung regungslos. Als er den Gerichtssaal verließ, grüßte er die Anwesenden, darunter seinen Vater, und lächelte. Gabriele wird für die Prozesskosten aufkommen müssen. Als strafmildernde Umstände betrachtete Gerichtspräsident Giuseppe Dalla Torre die Tatsachen, dass Gabriele nicht vorbestraft sei, dass er mehrere Jahre im Vatikan gedient und dass er Reue für seine Tat gezeigt habe.

Begnadigung

Gabrieles Verteidigerin Cristina Arru hatte in ihrem Schlussplädoyer einen Freispruch für ihren Mandanten gefordert. Gabriele habe nichts gestohlen, sondern sich die Papiere vom päpstlichen Schreibtisch nur zu Unrecht angeeignet. Ob sie gegen das Urteil, das sie als "ausgewogen" bezeichnete, Berufung einlegen wird, ist unklar.

Genauso unklar, wie die Frage, wo und ob der vatikanische Ex-Butler nun in Haft muss. Vorerst wird er unter Hausarrest bleiben. Das vatikanische Gericht muss noch über die Haftbedingungen entscheiden. Gabriele dürfte die Haftstrafe in einem italienischen Gefängnis absitzen, da es im Vatikan keine Strafanstalten gibt. Aber auch eine Begnadigung durch den Papst steht im Raum. Nach Angaben des vatikanischen Pressesprechers, Pater Federico Lombardi, sei es realistisch, dass der Heilige Vater Gabriele begnadigt. "Die Möglichkeit einer Begnadigung ist konkret", versicherte der Pressesprecher. Das Urteil sei "mild und Ausdruck von Menschlichkeit gegenüber dem Angeklagten".

Vertrauliche Dokumente

Den Hintergründe der Anklage erklärte der vatikanische Staatsanwalt, Nicola Picardi, in seinem Schlussplädoyer: Gabriele habe seinem Seelsorger, Pater Giovanni Luzi, einige päpstliche Dokumente weitergegeben, die dann in Nuzzis Bestseller "Sua Santitá" (Seine Heiligkeit) veröffentlicht wurden. Luzi berichtete, er habe die Dokumente verbrannt. Laut Staatsanwalt Picardi hat Gabriele als Einzeltäter gehandelt. "Aus der Untersuchung ist keinerlei Beweis aufgetaucht, dass Gabriele mit Komplizen gehandelt habe." Der Kammerdiener sei zwar eine "beeinflussbare Person", er dürfte allerdings allein agiert haben. Ermittlungen rund um mögliche Komplizen Gabrieles seien jedenfalls noch im Gange, berichtete Pressesprecher Lombardi. Nach der Bischofssynode, die am 28. Oktober zu Ende geht, wird der Vatikan auch den Prozess gegen den Informatikexperten Claudio Sciarpelletti aufnehmen, dem in der sogenannten Vatileaks-Affäre Beihilfe vorgeworfen wird. Vor einer Woche hatte das vatikanische Gericht beschlossen, Gabrieles Verfahren von jedem Sciarpellettis getrennt zu führen.

Gabriele hatte die vertraulichen Dokumente kopiert und Nuzzi zugespielt. Dieser schrieb in seinem Buch auf Basis der Informationen von schweren Machtkämpfen an der Kirchenspitze, sogar von einem Mordkomplott gegen den Papst, sowie von düsteren Geldwäsche-Geschäften der Vatikanbank IOR berichtete. Gabriele wurde im Mai festgenommen. Ihm drohten bis zu vier Jahre Haft. Der Prozess vor einem dreiköpfigen Vatikan-Gericht begann vor einer Woche. Am Dienstag hatte der Angeklagte gestanden, seit 2010 vertrauliche Dokumente aus dem Vatikan entwendet zu haben. Zugleich bekräftigte er vor dem vatikanischen Gericht, dass er als Einzeltäter gehandelt und kein Geld für den Geheimnisverrat erhalten habe.  (red/APA, 6.10.2012)