Die Ungeduld in Bezug auf die Realisierung eines Deserteursdenkmals, von der immer wieder die Rede war, ist verständlich. Gerade angesichts des fortgeschrittenen Alters von Betroffenen. Gerade angesichts auch der Jahrzehnte, die tatenlos verstrichen, bis Wehrmachtsdeserteure rechtlich anerkannt wurden. Es ist jedoch gerade die Stadt Wien mit ihrem bewussten Umgang zur Erinnerungskultur, die als erste Gebietskörperschaft ein Mahnmal für Österreichs Wehrmachtsdeserteure fordert. Sie ist damit die einzige, die sich dieses wichtigen Themas annimmt, obwohl es durchaus ein gesamtösterreichisches Anliegen ist. Und die Stadtregierung befindet sich mit diesem Anliegen im Zeitplan.
Bereits Anfang des Jahres habe ich zudem vorgeschlagen, das Denkmal schon 2013 zu realisieren. Es muss jedoch legitim sein, wissenschaftliche Grundlagen erstellen zu lassen, wie es die Stadt im Vorfeld getan hat. Auch die Finanzierung für das Denkmal ist in wirtschaftlich schwierigen Zeiten sicherzustellen. Nicht weniger sorgsam gilt es mit Betroffenen, involvierten Entscheidungsträgern und den Anrainern der infrage kommenden Standorte umzugehen.
Bei diesen Gesprächen, die ich mit zahlreichen Akteuren geführt habe, kristallisierten sich zwei Standorte heraus. Zum einen der Heldenplatz - bis vor kurzem der Wunsch des Proponentenkomitees und bundeseigener Grund. Zum anderen der Ballhausplatz - von der Stadt vorgeschlagen und gemeindeeigener Grund.
Beide Standorte sind geeignet, das Erinnern an diese Opfergruppe wachzuhalten. Die Diskussion rund um die Neugestaltung des Burgtores eröffnet dabei zweifelsohne neue Möglichkeiten. Das offizielle Österreich sollte nämlich künftig an drei Gedenktagen den Heldenplatz neu beschreiben: Am 27. Jänner, Jahrestag der Befreiung des KZ Auschwitz und internationaler Holocaustgedenktag, am 8. Mai, der Befreiung vom Hitler-Faschismus sowie zum österreichischen Nationalfeiertag am 26. Oktober.
Ein Deserteursdenkmal auf dem Heldenplatz, in Sichtweite des Burgtores, würde diesem historischen Ort einen völlig neuen Kontext geben. Der Ballhausplatz andererseits, als Zentrum der Republik zwischen Kanzleramt und Präsidentschaftskanzlei gelegen, wäre eine gute Möglichkeit, um Zivilcourage hervorzuheben. Die Entscheidung - auch das habe ich vor langem bekanntgegeben - fällt bis zum Nationalfeiertag. Ein wichtiges Datum für ein symbolträchtiges Mahnmal, das die Erinnerungskultur der Republik für Generationen prägen wird. (Andreas Mailath-Pokorny, DER STANDARD, 8.10.2012)