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Hätte noch viel Platz für neue Tätowierungen: Anthony Kiedis, Sänger der Red Hot Chili Peppers, hier auf der Bühne in Beirut.

Foto: APA/Wael Hamzeh

Unter die Brüste hat sich die Sängerin Rihanna ihr neues Tattoo stechen lassen, in Erinnerung an ihre verstorbene Großmutter. Es zeigt die ägyptische Göttin Isis, die sitzend ihre Flügel ausbreitet. Die 24-Jährige scheint es zu lieben, ihren Körper mit bunten Bildern zu pflastern. Doch weiß Rihanna, dass jedes eine Gefahr für ihre Gesundheit birgt?

Gut belegt ist, dass die Farben Allergien auslösen können, die sich durch Rötung, Schwellung und Juckreiz äußern. So juckte es einen 40-jährigen Mann unerträglichen an seinem neuen bunten Tattoo am Unterschenkel. Kurze Zeit später bildeten sich wulstige, rötliche Striemen - der Mann reagierte allergisch auf das rote Pigment der tätowierten Farbe. Kortison und Lasertherapie halfen nicht, der Hautarzt musste die Stellen herausschneiden und Haut transplantieren.

"Allergien auf Tattoofarben sehen wir immer wieder", sagt Werner Aberer, Vorstand der Klinik für Dermatologie an der Med-Uni Graz. Das kann nicht nur zu lang dauernden Entzündungen führen, die eine Entfernung des Tattoos erforderlich machen. "Manche werden sensibilisiert, das heißt, sie reagieren dann ihr Leben lang empfindlich auf Inhaltsstoffe der Farben." Genau das passierte einem jungen Mann aus Japan. Er bekam einen Ausschlag am gesamten Körper, nachdem er Schwertfisch gegessen hatte. Er war allergisch gegen Quecksilber, mit dem viele Meeresfische belastet sind. Sensibilisiert wurde er durch quecksilberhaltige Farben in seinen Tätowierungen, sein erstes Körperbild hatte er aber bereits seit 16 Jahren.

Hepatitis-Ansteckung

"Man darf nicht glauben, dass Henna-Tattoos harmloser sind", sagt Aberer, so schwoll bei einem 15-jährigen Mädchen plötzlich die rechte Gesichtshälfte an, nachdem sie sich die Haare hatte färben lassen. Sie war allergisch gegen Paraphenylendiamin (PPD) im Haarfärbemittel. Ein Henna-Tattoo, das sie sich vor Jahren im Strand in Italien hatte machen lassen, hatte sie sensibilisiert. Diese Tattoos enthalten meist nämlich kaum Henna, sondern das farbintensivere PPD.

Drastischer änderte sich das Leben einer jungen Studentin aus München nach ihrem Urlaub. Kurz nach der Rückkehr bekam sie einen Ausschlag am ganzen Körper, der an eine Allergie erinnerte. Tage später ergaben Blutuntersuchungen, dass sich die Frau mit Hepatitis B und C angesteckt hatte - und zwar über ihr Tattoo, das sie sich in Asien hatte stechen lassen. "Ich wundere mich, wie wenig manche Tätowierte über die Risiken wissen", sagt Markus Ollert, leitender Dermatologe an der Technischen Uni München, der die Studentin betreute. Fatal bei der Hepatitis ist, dass man sie zunächst nicht bemerkt. "Bei B bekommt nur jeder Dritte Beschwerden, und bei C nur sehr wenige", sagt Wolfgang Petritsch, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Gastroenterologie und Hepatologie. Konkret kann es heißen, dass man sich abgeschlagen und müde fühlt, sich die Haut gelblich verfärbt. Oft werden die Infektionen erst entdeckt, wenn sie chronisch geworden sind. "Wie gut eine Hepatitis heilt, hängt unter anderem von der Art des Virus und von genetischen Faktoren ab", sagt Petritsch. "Bei einer Doppelinfektion wie bei der jungen Frau ist die Aussicht auf Heilung deutlich schlechter."

Kleine Knötchen

Sorgen machen Ärzten zurzeit Berichte über Infektionen bei Tätowierten mit atypischen Mykobakterien. Vor allem in den USA, Frankreich und Deutschland sind die Fälle aufgetreten. "Es ist gut denkbar, dass man sich damit auch in Österreich infizieren kann", sagt Werner Aberer. Quelle der Infektionen scheint graue Farbe zu sein, die es fertig zu kaufen gibt. Die Produzenten stellen sie aus schwarzer Farbe her, die sie mit destilliertem Wasser verdünnen. Und das ist nicht zwingend keimfrei. "Die Infektionen sehen wir sonst bei Aquariumsbesitzern oder Schwimmbadbesuchern", sagt der Dermatologe Ollert. Die Keime dringen über kleinste Verletzungen in die Haut. Nach zwei bis vier Wochen entstehen stecknadel- bis erbsgroße Knötchen.

Bei mangelhafter Hygiene können alle möglichen Infektionen übertragen werden. Staphylokokken verursachen rote Flecken mit eitrigen Bläschen, Streptokokken einen großflächigen, schmerzhaften roten Ausschlag. "HIV, Syphilis, Hepatitis oder Tuberkulose merkt man leider erst später", sagt Ollert. "Das führt dann zu Verzögerungen in der Therapie." In einigen Fachartikeln werden Fälle von Hautkrebs beschrieben, die genau an der Stelle der Tattoos liegen. "Ob diese aber durch die Farben verursacht wurden oder zufällig dort entstanden sind, ist weder bewiesen noch widerlegt."
Schädliche Farbe

Während Hersteller von Kosmetika nur Farben verwenden dürfen, die toxikologisch geprüft und zugelassen sind, braucht ein Produzent von Tätowierfarben lediglich sicherzustellen, dass seine Farben die Gesundheit nicht schädigen und keine Stoffe enthalten, die Krebs auslösen oder das Erbgut verändern könnten. Zurzeit gibt es keine europaweit einheitliche Regelung für Tattoo-Farben. "Die bräuchten wir aber dringend", sagt Disa Medwed vom Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz. Das Ministerium ist gerade dabei, eine österreichische Verordnung zu erarbeiten. "Wir stellen uns ähnliche Kontrollen wie für Kosmetika vor." Johann Maier, SPÖ-Konsumentenschutzsprecher, sieht ein großes Problem beim Versandhandel. "Über das Internet werden immer mehr Farben angeboten, die gesundheitsschädliche Stoffe enthalten könnten." Er fordert eine Positivliste mit Substanzen, die unbedenklich verwendet werden dürfen. "Das wird es wohl noch lange nicht geben", meint Aberer. Denn dann müssten die Stoffe wie Medikamente in aufwändigen Studien geprüft werden. "Solange es keine sicheren Farben gibt, würde ich vom Tätowieren dringend abraten." (Felicitas Witte, DER STANDARD, 8.10.2012)