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40 Jahre vor Dolly klonte John Gurdon Frösche.

Foto: REUTERS/Suzanne Plunkett

Das Leben ist keine Einbahnstraße. So könnte man die Grunderkenntnis der diesjährigen Medizin-Nobelpreisträger John Gurdon und Shinya Yamanaka etwas philosophisch zusammenfassen. Im Fall des 1933 geborenen Briten Gurdon hat dieser Satz auch eine gewisse biografische Bedeutung, denn beinahe wäre der junge Student nicht in seinem Lieblingsfach Biologie, sondern in der Altphilologie gelandet.

Noch während seiner Schulausbildung am noblen Eton College schrieb sein Lehrer einen vernichtenden Bericht über den jungen Studenten, den es zur Biologie hinzog: "Ich glaube, Gurdon möchte gerne Naturwissenschafter werden. Angesichts seiner bisherigen Leistungen ist das lächerlich."

Solcherart eingeschüchtert, inskribierte Gurdon zunächst Latein und Griechisch. Doch das Schicksal war ihm hold: Weil es so wenige Biologiestudenten gab, entging er der geisteswissenschaftlichen Einbahnstraße, durfte noch einmal zurück an den Start und es doch noch einmal mit Biologie probieren. Dann ging es Schlag auf Schlag: Gurdon erwarb 1956 am Christ Church College in Oxford einen Bachelor in Zoologie und promovierte 1960 in Embryologie.

Seine größte Entdeckung gelang Gurdon bereits während und kurz nach seiner Dissertation am südafrikanischen Krallenfrosch: Der junge Entwicklungsbiologe ersetzte die Zellkerne von Eizellen seiner Frösche durch Zellkerne aus Darmwandzellen. Aus den so veränderten Eizellen entstanden Kaulquappen, später auch Frösche. Damit hatte er das Klonen von Tieren erfunden.

Die Technik wurde zwar erst mit dem Klonschaf Dolly so richtig populär, das 1996 geboren wurde und das erste geklonte Säugetier war. Das dafür nötige Verfahren des sogenannten Zellkerntransfers hatte aber Gurdon fast 40 Jahre zuvor erfunden - weshalb er und nicht Dollys Vater Ian Wilmut mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde.

Der heute 79-jährige Wissenschafter mit üppiger Haarpracht, der von seinen ehemaligen Studenten als typischer britischer Gentleman-Forscher bezeichnet wird, hat damit nun wirklich alles erreicht, was man als Forscher erreichen kann: Er erhielt so gut wie alle wichtigen wissenschaftlichen Auszeichnungen, wurde zum Sir geadelt, und an der Uni Cambridge hat man ein ganzes Forschungszentrum nach ihm benannt - an dem der Neolaureat nach wie vor eine Arbeitsgruppe leitet.
(Klaus Taschwer, DER STANDARD, 9.10.2012)