Sehr geehrte Landeshauptfrau Gabriele Burgstaller,


Von orf.at habe ich gestern ihre Position zur Wehrpflichtsdebatte entnommen. Ein „paar Monate" beim Bundesheer oder Zivildienst „tun den jungen Männern sicher gut". Ich will jetzt gar nicht auf die grundsätzliche Ausrichtung der österreichischen Wehrpolitik eingehen, sondern auf den von ihnen genannten Punkt "des Gute-Tuns".

Dazu erinnere ich mich an meine eigene Zeit beim Heer, was schon über 10 Jahre aus ist und kann die Frage getrost mit NEIN beantworten. Es tat mir nicht gut und wie ich bei den meisten meiner Kameraden feststellen konnte, es tat ihnen nicht gut. Nach meiner Elektrikerlehre war es auch bei mir soweit, das Bundesheer rief und ich hätte es gerne überhört. Der Grund für meine Entscheidung, mich für das Bundesheer und nicht für den Zivildienst zu entscheiden, lag ganz alleine an den einkommenslosen Monaten, welche bei mir noch 4 Monate waren. Es war nicht die Frage, will ich meinem Land dienen, mein Land mit der Waffe verteidigen oder sonstige patriotische Anfälle, sondern rein praktische Gründe. 8 Monate Grundwehrdienst schienen die bessere Lösung als 12 Monate Zivildienst, auch wenn die Geschichten im Freundeskreis keine große Vorfreude auf das Bundesheer zuließen. Viele meiner Freunde und alle meine damals zukünftigen Kameraden entschieden genauso. Meiner Meinung nach stellten sich die allerwenigsten die große Sinnfrage.

Es war soweit, das Einrückungsdatum stand bevor. Ich möchte aus Rücksicht der Länge des Textes, meine Erlebnisse grob umreißen. Die Grundausbildung bestand aus einem 4 wöchigem militärischem Drill der 12-18h am Tag dauerte und man sich jede freie Minute fragte, warum habe ich mich nicht für den Zivildienst entschieden. Eine Aneinanderreihung sinnloser Tätigkeiten, nur mit dem Hintergedanken, meinen(unseren) Willen zu brechen. Das oberste Gebot lautete: Nicht fragen, einfach tun, sei es auch noch so sinnlos. Das Denken übernimmt ein anderer für dich. Meistens war dieser andere ein schreiender Wachtmeister, der in unserem Fall nicht selten dem Alkohol zugewandt war. Genauso verhielt er sich auch. Probleme wurden durch Schreianfälle und nicht nachvollziehbare Bestrafungen gelöst. Den großen „militärischen" Nutzen sehe ich dabei bis heute nicht, außer das sie uns hörig gemacht haben. Mein Freundeskreis hat im Großen und Ganzen ähnliche Erlebnisse geschildert.

Nach der Grundausbildung kam ich zu den Kraftfahrern, was sozusagen der Jackpot war. Unsere Aufgabe bestand nun darin, nicht positiv und negativ aufzufallen. Negativ aus dem Grund, nicht für eine Kleinigkeit unangemessen bestraft zu werden und Positiv, um nicht als „Schleimer" unter den Kameraden zu gelten. Ein vorherrschendes Gesprächsthema in der Kaserne, war die Lage. Auch selber zählte man nur die Tage, bis es wieder vorbei ist oder wie wir auch sagten, „bis wir uns unser Hirn wieder beim Haupttor abholen können".

Auch in meinem Bekanntenkreis höre ich immer wieder Sätze wie „Die Kameradschaft war so gut" oder „So einen Zusammenhalt habe ich nicht mehr gesehen", was mit Sicherheit stimmt, nur muss man die Umstände betrachten. Beim Bundesheer bleibt einem nichts anderes übrig als zusammen zu helfen, weil man gegen den Vorgesetzten sowieso keine Chance hat. Auf eine Kameradschaft unter derartigen Bedingungen kann ich verzichten und gibt eigentlich nur ein schlechtes Zeugnis über unsere Gesellschaft ab. Mittlerweile haben sich die Bedingungen beim Bundesheer durch verschiedene Vorfälle wahrscheinlich verbessert, obwohl die Grundausrichtung mit Sicherheit dieselbe geblieben ist.

Vor meinem Grundwehrdienst bin ich in der Firma immer wieder, wie mein damaliger Chef sagen würde „angeeckt" und habe mich mit gewissen Sachen einfach nicht abfinden können. Nach meinem Grundwehrdienst, war ich so froh wieder unter „normalen" Leuten unter „normalen" Bedingungen meinen Lebensalltag zu bestreiten, dass die Probleme in der Firma so klein erschienen. Es dauerte einigen Monaten bis ich das Leben „heraußen" wieder als normal empfand und mich wieder zu sagen traute, was mir nicht passte.

Zurückkehrend zur Eingangsfrage „das gut tun " des Bundesheeres. Wenn es jungen Menschen „gut tut" sich künstlichen Autoritäten zu unterwerfen, ohne auch nur eine Frage stellen zu dürfen. Wenn es „gut" ist für meine Leben, dass ich lerne die Entscheidungen meiner Vorgesetzten ohne wenn und aber auszuführen. Wenn junge Menschen systematisch erniedrigt werden sollen und ihnen immer klar gemacht wird, dass der einzelne nicht zählt. Dann ist es gut, wenn wir unser Zukunftspotenzial in unseren Kasernen ersticken und ein höriges Volk produzieren. Wollen Sie als Landeshauptfrau, als Sozialdemokratin junge hörige Menschen produzieren? Wie sie sehen, ist dieses Thema 10 Jahre später noch sehr präsent, auch weil mich die Sinnfrage bis heute begleitet.

Mit freundlichen Grüßen Christoph Staufer (Leserkommentar, derStandard.at, 11.10.2012)