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Einigung in letzter Sekunde: Heinisch-Hosek, Karl.

Foto: APA/Techt

Künftig bekommen Väter in Sorgerechtsfragen mehr Rechte: Darauf haben sich Justizministerin Beatrix Karl (ÖVP) und Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) geeinigt. Demnach bekommen Väter ein Recht, die Obsorge zu beantragen - auch wenn die Mutter das nicht gutheißt. Zudem werden unverheiratete Väter den verheirateten gleichgestellt. 

Die Regelung im Detail: Väter können, egal zu welchem Zeitpunkt, bei Gericht einen Antrag auf Obsorge stellen - und zwar unabhängig davon, ob sie mit der Mutter verheiratet sind oder nicht. Sind sich Mutter und Vater einig, dass sie ein gemeinsames Sorgerecht wünschen, so können sie das künftig am Standesamt tun und müssen nicht mehr zum Gericht.

Das sei ein Fortschritt, da auch der Antrag auf Vaterschafts-Anerkennung am Standesamt gestellt werden muss, so Karl. Künftig könne somit beides in einem erledigt werden. Die Gefahr, dass die Mutter überrumpelt wird, habe man im Gesetz ausgeräumt, sagt Heinisch-Hosek: Beide Elternteile müssen zum Standesamt gehen, zudem besteht ein achtwöchiges Widerrufsrecht.

Vorläufige Regelung

Auch in der heiß diskutierten Frage der gemeinsamen Obsorge nach einer Trennung im Streit gibt es nun eine gesetzliche Lösung: Können sich Mutter und Vater auf keine Sorgerechtslösung einigen, legt das Gericht eine vorläufige Obsorgeregelung für sechs Monate fest. Das bedeutet: Wurde das Kind vor der Trennung von beiden Elternteilen betreut, wird das auch in den ersten sechs Monaten danach so sein - es sei denn, das Kindeswohl ist durch eine gemeinsame Obsorge gefährdet. Nach der Sechs-Monats-Frist beurteilt das Gericht, ob die Lösung funktioniert hat und beibehalten werden kann.

In der Sechs-Monats-Frist wird das Kind vom Gericht einem Elternteil zugeteilt und hauptsächlich von diesem betreut, dem anderen Elternteil ist jedoch "ein derart ausreichendes Kontaktrecht einzuräumen, dass er auch die Pflege und Erziehung des Kindes wahrnehmen kann", heißt es im Gesetzesentwurf.

Verpflichtende Beratung

Sollte sich ein Elternteil in der Sechs-Monats-Frist nicht an das vereinbarte Kontaktrecht halten, sind Maßnahmen vorgesehen: Wenn beispielsweise ein Elternteil dem anderen den Kontakt zum Kind vorenthält oder ein Elternteil zum vereinbarten Zeitpunkt nicht auftaucht, sieht das Gesetz einen verpflichtenden Besuch bei der Familienberatungsstelle vor. Auch ein Termin bei der Agressionsberatungsstelle kann einem Elternteil gerichtlich vorgeschrieben werden.

Kommt der betreffende Elternteil diesem Termin nicht nach, "wird das in die richterliche Beurteilung einfließen", meint Karl - es wirkt sich also aus Sicht des jeweiligen Elternteils negativ auf die endgültige Obsorgeentscheidung aus.

Eine weitere Neuerung: Künftig sollen bei strittigen Trennungen sogenannte "BesuchsmittlerInnen" zum Zug kommen, die überprüfen, ob sich beide Elternteile an die vereinbarte Besuchsregelung halten. Dabei soll es sich um PsychologInnen, PädagogInnen oder SozialarbeiterInnen handeln, die auch der Kindesübergabe anwesend sein können. Die BesuchsmittlerInnen dienen dem Gericht als Entscheidungshilfe, wenn es um die Festlegung der endgültigen Obsorgeregelung geht. Auch die Familiengerichtshilfe soll das Gericht bei der Entscheidung unterstützen. 

Kommt das Gericht zu dem Schluss, dass sechs Monate für die Entscheidung nicht ausreichen, kann es die Frist verlängern.

"Großer Wurf"

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte und der österreichische Verfassungsgerichtshof hatten die bisherigen Obsorgeregelungen für rechtswidrig erklärt. Die Regierung hatte noch bis 31. Jänner 2013 Zeit, ein neues Gesetz zu schaffen - der Gesetzesentwurf kam daher in letzter Sekunde und geht noch am Mittwoch in Begutachtung, um mit 1. Februar 2013 in Kraft treten zu können. "Unser Kompromiss zeigt trotz aller Unkenrufe, dass diese Regierung sehr wohl sehr gut arbeitet", sagte Karl bei der Präsentation des Entwurfs, den auch Heinisch-Hosek als "großen Wurf" bezeichnet.

"Es gibt weiterhin keine Automatik bei der gemeinsamen Obsorge", betont die Frauenministerin. Ein automatisches Eintreten des gemeinsamen Sorgerechts hatte Heinisch-Hosek bekämpft. Sie sieht durch das neue Gesetz gewährleistet, dass "weiterhin das Gericht entscheidet, was besser ist". Demnach werde es eine alleinige Obsorge für die Mutter "nicht nur bei Gewalt durch den Vater oder bei Gefahr in Verzug" geben, sondern auch in anderen Fällen.

Das Gericht hat anhand eines Zwölf-Punkte-Katalogs zu entscheiden, was dem Kindeswohl am ehesten entspricht. In diesem Katalog finden sich Elemente wie "eine angemessene Versorgung, insbesondere mit Nahrung, medizinischer und sanitärer Betreuung und Wohnraum, sowie eine sorgfältige Erziehung", aber auch "die Vermeidung der Gefahr für das Kind, Übergriffe oder Gewalt an wichtigen Bezugspersonen mitzuerleben".

Neues Namensrecht

Änderungen gibt es auch im Namensrecht. So können in Zukunft alle Familienmitglieder einen Doppelnamen tragen - unabhängig davon, ob die Eltern verheiratet sind oder nicht. Der Familienname darf aus höchstens zwei Elementen bestehen. Auch unverheiratete Paare können in Zukunft für das Kind den Namen des Vaters wählen - bislang war das nicht möglich. Können sich die Eltern auf keinen Namen einigen, erhält das Kind automatisch den Nachnamen der Mutter.

Alltags-Obsorgerechte auch für Lesben und Schwule

Die Obsorge des Alltags soll von einem Elternteil auf unverheiratete PartnerInnen übertragen werden können. Das gilt auch für lesbische und schwule Lebensgemeinschaften. So sollen in Zukunft auch gleichgeschlechtliche PartnerInnen als Angehörige Auskunft im Spital einholen oder ein Entschuldigungsschreiben für das Fernbleiben des Kindes von der Schule anfertigen können. 

Kritik von Grünen und BZÖ

Kritik am Gesetzesentwurf kam am Mittwoch von der Opposition. "Zu denken, dass eine gesetzlich verordnete gemeinsame Obsorge, auch wenn die Eltern sich streiten, dem Kindeswohl dient, ist absurd und realitätsfremd", meinte hingegen die Grüne Familiensprecherin Daniela Musiol. Die Grünen befürworteten eine gemeinsame Obsorge nur dann, wenn sich beide Eltern darauf einigen können. Sie fordern die Einrichtung einer Schlichtungsstelle, um eine solche Einigung herbeizuführen. "Das Gemeinsame kann nicht per Gesetz verordnet werden", ergänzte Justizsprecher Albert Steinhauser. Erfreut zeigten sich die Grünen dagegen über die Liberalisierung des Namensrechts.

"Nur wenige Verbesserungen für die Kinder" in den ausgehandelten Obsorge-Regelungen sieht BZÖ-Familiensprecherin Ursula Haubner. Dass die gemeinsame Obsorge zum Regelfall werde, sei "leider verpasst" worden. Positiv sei die Beschleunigung der Verfahren, auch die Verankerung des Kindeswohls im Gesetz sei zu begrüßen, so Haubner. (Maria Sterkl, derStandard.at, 10.10.2012)