"Fliegende" Installation von Nora Schultz (hängend), reduzierte Skulpturen von Anita Leisz in der Galerie Meyer Kainer. 

Foto: Tina Herzl

Wien - Auf den ersten Blick wirkt die Zusammenstellung der Arbeiten von Nora Schultz und Anita Leisz in der Galerie Meyer Kainer sehr homogen. Beide Künstlerinnen verzichten weitgehend auf Farben, scheuen nicht vor der Besetzung des Raumes zurück. Schultz füllt den Hauptraum mit einer Installation, die an ein Welldach erinnert; Leisz hat ihre nicht weniger präsenten Objekte ebenfalls in Stellung gebracht. In der Auseinandersetzung mit bildhauerischen Verfahren divergieren ihre Ansätze jedoch nicht erst bei der Frage, wann eine Skulptur vollständig ist.

Im Eingangsbereich macht eine Arbeit von Schultz einen wesentlichen Unterschied deutlich. Zu sehen ist dort ein zerschlissenes Stück Aluminiumplatte, das die Besucher begrüßt: Bits of Probabilities Turn Into Realities - Hello Visitor heißt das Fundstück, das die Künstlerin mit dem poetischen Titel versehen, ansonsten jedoch nicht bearbeitet hat.

Dass es Schultz - anders als Leisz - um die Umcodierung von Vorgefundenem geht, legt auch ihre "fliegende" Installation im Hauptraum eindrucksvoll nahe: Von der Decke hängende Druckerplatten hat die Künstlerin dort auf eine Weise "drapiert", dass diese im Zusammenhang mit dem Titel Bird Singing in the Reality Rain durchaus neue, materialferne Assoziationen eröffnen.

Im Vergleich mit der exaltierten, schwebenden Konstruktion wirken die reduzierten Skulpturen von Leisz sympathisch in sich gekehrt: Auch sie arbeitet mit industriell vorgefertigtem Material, und auch sie will die Spuren der Produktion nicht vertuschen. Ihre auf dem Boden stehenden Quader und Wandarbeiten basieren auf Pressspanplatten, die sie aneinandermontiert und mit der Schleifmaschine bearbeitet hat. Ihr eigener Körper ist dabei das Maß, mit dem sie das Verhältnis von Volumen, Fläche und Raum, aber auch Abstraktion und Repräsentation oder Innen und Außen vermisst.

Um diese für die Bildhauerei nach wie vor wesentlichen Fragen zu stellen, benötigen die meisten Skulpturen von Leisz auch keine weiterführenden Titel. Nur eine Arbeit tanzt aus der Reihe: Unisex heißt ein Wandobjekt mit einem großen Silikonfleck - in Leisz' OEuvre ist es trotzdem nicht das Einzige, das die Geschlechter gleichermaßen anspricht. (Christa Benzer, DER STANDARD, 11.10.2012)