Das Positive zuerst: Es hätte schlimmer kommen können. Der neue Entwurf zum Familienrechtsgesetz wirkt in der ersten Durchsicht überlegt, einigermaßen ausgewogen und - mit Abstrichen - auch stimmig. Die Ministerinnen Beatrix Karl und Gabriele Heinisch-Hosek haben sich bemüht, das Kindeswohl ins Zentrum ihrer Überlegungen zu stellen. Das ist grundsätzlich begrüßenswert. Ein "großer Wurf", wie die beiden Ministerinnen selbst schwärmten, ist ihnen freilich nicht gelungen. Es hätte einer werden können - hätte man beiden Elternteilen nicht nur gleiche Rechte, sondern auch gleiche Pflichten auferlegt. Etwa so: Chancengleichheit für Vater und Mutter im Trennungsfall - aber auch die Chance für das Kind, ab seiner Geburt von Mutter und Vater zu (annähernd) gleichen Teilen betreut zu werden.

Das hätte bedingt, dass nicht nur legistisch repariert wird, was nach einem EuGH- und einem VfGH-Urteil zwingend notwendig war - sondern dass sich die Koalition zu einem modernen gesellschaftspolitischen Gesamtkonzept durchringt. Soll heißen: Gemeinsame Karenzpflichten für Mutter und Vater bei der Geburt des Kindes, gemeinsame Obsorge in aufrechter Partnerschaft und - im Normalfall - dann auch gemeinsame Obsorge, wenn sich die Eltern trennen.

Ein solches Paket zu schnüren wäre eine lohnende und auch sehr sinnvolle Aufgabe gewesen. Dann hätten es Familiengerichte im Trennungsfall leichter, festzustellen, wie sehr sich die jeweiligen Eltern tatsächlich über die Jahre für ihre Kinder engagierten. Denn, auch das ist Arbeitsalltag von Familienrichtern: So mancher Vater entdeckt seine Liebe zum Kind erst, wenn die Beziehung zur Mutter in die Brüche gegangen ist - während er in aufrechter Ehe nicht auf die Idee kam, in Karenz zu gehen, dem grippekranken Kind zuliebe Pflegeurlaub zu nehmen oder einmal auf karriereträchtige Überstunden zu verzichten. Insofern ist auch die nun vorgeschriebene, sechs Monate dauernde, "Abkühlphase" zwischen streitenden Expartnern mit ein wenig Skepsis zu sehen: Ein halbes Jahr ist eine absehbare Zeitspanne - wer da das große Ich-bin-ein-engagierter-Elternteil-Feuerwerk abziehen will, hält das wohl problemlos durch - schwierig für Familienrichter, von einer sechsmonatigen Ausnahme-Performance auf den Normalfall zu schließen.

Überhaupt wird auf die Familienrichter einiges zukommen, wenn sie den schwammigen Begriff "Kindeswohl" ernst nehmen. Denn das bedeutet: viel Zeit investieren, viele Recherchen anstellen und viel nachdenken über jeden strittigen Einzelfall, der als Akt vor ihnen landet. Ob dieser Idealfall dann auch eintritt, hängt nicht zuletzt davon ab, wie die Politik Richter künftig zu unterstützen gedenkt.

Absichtserklärungen mit grässlichen Namen gibt es genug: So will die Justizministerin die "Familiengerichtshilfe" ausbauen und den Streitparteien "BesuchsmittlerInnen" zur Seite stellen. Die grundsätzliche Ausrichtung stimmt zwar: Familiengerichte und Jugendämter müssen stärker als bisher miteinander und diese wiederum mit Kinderpsychologen und Mediatoren vernetzt werden, damit alle Beteiligten in ihrem Trennungsstress und -schmerz tatsächlich nicht auf das Wohl der Kinder vergessen.

Wie das funktionieren soll und ob das auch zusätzliche Planposten bedeutet, darüber schwiegen sich die Ministerinnen bei der Präsentation ihres "großen Wurfs" freilich aus. (Petra Stuiber, DER STANDARD, 11.10.2012)