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"Oma ihr klein' Häuschen bleibt steuerfrei", sagte Steinbrück 2006, "aber Oma ihre Villa mit Park und Seezugang wird einen Beitrag leisten. Und das ist auch gewollt."

Foto: APA/Wolfgang Kumm

Zum zweiten Mal wird das deutsche Bundesverfassungsgericht die Erbschaftssteuer unter die Lupe nehmen. 2006 hatten die Höchstrichter die Steuer schon einmal für verfassungswidrig erklärt. Immobilien und Betriebsvermögen waren damals zu niedrig bewertet worden. Jetzt bringt der Bundesfinanzhof (BFH) die Regelung erneut nach Karlsruhe. In erster Linie kritisiert das oberste deutsche Finanzgericht die Privilegierung von Betriebserben.

Eine Wohnung besteuert, 300 Wohnungen nicht

Teile eines Unternehmensvermögens könnten nämlich weitgehend oder sogar ganz steuerfrei übertragen werden. Land- und forstwirtschaftliches Vermögen, Maschinen und Firmenanteile, die über 25 Prozent liegen, würden begünstigt. Kleinere Kapitalbeteiligungen oder Kunstgegenstände zählten hingegen nicht. Diese Begünstigung sei „im Kern verfassungswidrig“ und führe zu einer „verfassungswidrigen Fehlbesteuerung“, entschied der BFH.

Das Deutsche Forum für Erbrecht begrüßte die Entscheidung des Bundesfinanzhofs. Die heutige Besteuerung sei ungerecht. So könnten 300 Wohnungen etwa als Wohnungsunternehmen völlig steuerfrei vererbt werden, wer aber eine einzige Wohnung erbe, müsse Steuern zahlen.

Politisch umstritten

Nicht nur die Finanzrichter sind kritisch, sondern auch die SPD. "Jetzt müssen wir endlich eine verfassungsfeste Regelung finden", sagte etwa Fraktionsvize Joachim Poß. Zur Erinnerung: Als das Gesetz verabschiedet wurde, stellte die SPD mit Peer Steinbrück den Finanzminister.

Dessen Amtsnachfolger Wolfgang Schäuble (CDU) zeigt sich davon überzeugt, dass das Gesetz der Prüfung standhalten werde. Und das, obwohl auch der Wissenschaftliche Beirat des Finanzministeriums 2011 zum Ergebnis kam, dass "die weitreichenden Vergünstigungen beim Unternehmensvermögen im Hinblick auf die Beschäftigungseffekte der Erbschaftsteuer nicht zu rechtfertigen sind.“

Steuereinnahmen sinken

Nach Schätzungen werden in Deutschland jedes Jahr bis zu 200 Milliarden Euro vererbt. Seit drei Jahren würden die Steuereinnahmen aber schon sinken, mittlerweile „liegen sie bei nur noch 4,2 Milliarden Euro“, berichtet Zeit Online.

„Die Steuer ist unpraktikabel und unwirtschaftlich. Laut einer Studie stehen die Verwaltungskosten in keinem Verhältnis zu den erzielten Einnahmen“, gibt Peter Scheller, Steuerberater für internationales Erbschaftsteuerrecht, in der Financial Times Deutschland zu bedenken und bricht eine Lanze für deren Abschaffung. „Man hat aber den Eindruck, dass die Erbschaftsteuer eine Neidsteuer ist und ihre Abschaffung politisch nicht gewollt ist. Fest steht aber, dass wir ein europarechtskonformes Steuerrecht brauchen“, sagt er.

Gesetz auch vor EuGH

Ende September hatte auch die EU-Kommission angekündigt, die Regelung dem EuGH vorzulegen. Die Besteuerung von Vermögenswerten unterscheide sich – abhängig von den Wohnorten von Erblasser und Erbe – nämlich deutlich. Auf Erbschaften in Deutschland werde ein Freibetrag von bis zu einer halben Million Euro gewährt, wenn Erbe oder Erblasser in Deutschland lebt. Haben aber beide ihren Wohnsitz im Ausland, beträgt der Freibetrag nur 2.000 Euro.

Diese Regelung hält die Kommission für diskriminierend und sieht darin eine Einschränkung des freien Kapitalverkehrs. Sie könne Ausländer davon abhalten, in deutsche Immobilien zu investieren. Für das deutsche Bundesfinanzministerium komme diese Klage "überraschend", berichtet Zeit Online, man sei aber auch hier optimistisch, die offenen Fragen klären zu können. (APA/part, derStandard.at, 11.10.2012)