Entwicklungsexperte Talaat Abdel-Malek meint, die Welt werde ein immer besserer Ort, und Entwicklungshilfe habe viel dazu beigetragen, wie er Tobias Müller erklärte.
STANDARD: US-Außenministerin Hillary Clinton hat Entwicklungsländer gewarnt, China sei mehr an Ressourcen interessiert als an Entwicklung. Sind die USA besser?
Abdel-Malek: Meiner Erfahrung nach haben beide mehr gemeinsam als sie trennt. Sie sind beide interessiert, ihre Einflussgebiete auszudehnen. Es geht hier nicht um Wohltätigkeit, die schenken beide nichts her und sind reif genug, das zuzugeben: Auslandshilfe muss beiden Partnern nutzen.
STANDARD: In vielen Ländern Afrikas hört man aber mehr Klagen über die Chinesen als über andere Länder.
Abdel-Malek: Das Problem ist, dass die Art und Weise, wie China vorgeht, vorsichtig ausgedrückt, nicht ideal ist. Ich sage afrikanischen Politikern immer: Wenn ihr wollt, dass das aufhört, müsst ihr Regeln und Gesetze einführen, die das verhindern. Chinas Verfehlungen waren ein Weckruf für die Länder: Passt auf, derzeit kann jeder kommen und machen, was er will, weil es keine Regeln gibt. Das ist aber keine Art, wie man ein Land verwaltet und regiert und wie man mit seinen Ressourcen umgeht.
STANDARD: Gibt es etwas, das alte von neuen Gebern wie China lernen können?
Abdel-Malek: Die Neuen reden nicht nur von Hilfe. Da gibt es die traditionelle Hilfe, aber auch Technologietransfer, sehr viel Ausbildung, große Infrastrukturprojekte - die arbeiten als Entwicklungsauftragnehmer.
STANDARD: In einem Artikel argumentieren Sie, dass die Entwicklungszusammenarbeit in den vergangenen Jahren effizienter geworden ist. Warum?
Abdel-Malek: Das fängt damit an, das mittlerweile deutlich mehr als die Hälfte der Entwicklungsländer glaubwürdige Entwicklungspläne erstellen, bevor sie Hilfe holen. Beim Planen merken sie, was sie wirklich brauchen, wie viel und was für Zugeständnisse sie bereit sind, dafür zu machen. Ohne so einem bringt jede Zusammenarbeit nichts. Früher gab es die Fehleinschätzung, dass Entwicklungshilfe ein Geschenk ist, je mehr, desto besser. Die Länder haben nicht bedacht, das sie für die Hilfe bezahlen, die sie bekommen. Sei es durch politische Zugeständnisse oder Rohstoffe.
STANDARD: Die Welt entwickelt sich also hin zum Guten?
Abdel-Malek: So ist es. Und die Tatsache, dass es derzeit eine Rezession gibt, und immer weniger Geld vorhanden ist, macht es doppelt wichtig für beide Seiten sicherzustellen, dass dieses Geld sinnvoll ausgeben werden.
STANDARD: Die Krise als Chance.
Abdel-Malek: Ja. Die Leute werden gezwungen, zu fokussieren, die Geber reduzieren die Zahl der Länder, denen sie helfen, aber dort schauen sie, dass sie es richtig tun.
STANDARD: Wenn ich einen Artikel über Entwicklungshilfe schreibe, bekomme ich zahlreiche Postings in denen Leute schreiben, das Geld sei verschwendet, es ändere sich nichts. Was würden Sie denen antworten?
Abdel-Malek: Schauen Sie sich an, wie Afrikas Infrastruktur sich in den vergangenen 50 Jahren entwickelt hat. Als ich vor 40 Jahren erstmals nach Ghana geflogen bin, musste ich von Kairo über Paris fliegen. Heute hat Egypt-Air fünf wöchentliche Flüge nach Ghana. Schauen sie sich an, wie die Sterblichkeitsrate runtergegangen ist, wie sich der Ausbildungsstandard von Mädchen verändert hat. Früher wurden Mädchen in vielen afrikanischen Ländern mit zwölf verheiratet und das war's. Heute leiten Frauen dort große Konzerne.
STANDARD: Jetzt werden die sagen, das ist nicht wegen der Entwicklungshilfe so, sondern trotz ihrer.
Abdel-Malek: Sie haben Recht, es ist sehr gefährlich, eine Korrelation herzustellen zwischen der Menge an Hilfe und der Entwicklungsrate eines Landes. Die hängt von vielen Dingen ab. Aber was wir sicher sagen können, ist, dass die Hilfe dazu beigetragen hat. (Tobias Müller, DER STANDARD, 12.10.2012)