Wien - "Zoin wül i jo", erklärt Ectarina-Aurora D. in breitem Oberösterreichisch Richter Roland Weber, vor dem sie im Wiener Landesgericht wegen der Verletzung der Unterhaltspflicht gegenüber ihrer Tochter sitzt. Die Strafandrohung: bis zu zwei Jahre Haft. Denn die 34-Jährige ist zweimal einschlägig vorbestraft. Ein Monat bedingt hat sie im ersten Prozess bekommen, zwei Monate unbedingt im zweiten.
207 Euro soll Frau D. für ihr 13-jähriges Kind zahlen, das beim Exmann in Linz lebt. Geld, das sie nicht hat. Das Besondere an diesem Verfahren: Weber ist der erste Richter, den es interessiert, ob die Angeklagte eigentlich eine Chance hat, das Geld überhaupt zu verdienen.
Also hat er Harald Ecker eingeladen. Der ist Sachverständiger für Berufskunde und lässt sich von Frau D. ihr bisheriges Berufsleben erklären. "Nach der Hauptschule habe ich gleich zu arbeiten angefangen", sagt sie. Zweieinhalb Jahre im Gastgewerbe, dann ging sie in Karenz. Danach kamen nur noch Gelegenheitsjobs. Wegen 50.000 Euro Schulden bei Banken, Versandunternehmen und Telekom-Firmen steht sie vor dem Privatkonkurs. Sie wohnt bei einer Freundin, seitdem sie sich ihre Ein-Zimmer-Wohnung nicht mehr leisten kann.
Conclusio des Gutachters: "Im Konkurrenzkampf mit angepassteren Bewerberinnen hat die Angeklagte speziell bei der derzeitigen Lage am Arbeitsmarkt nur Außenseiterchancen." Maximal auf Halbtagesjobs oder Lohndumping-Stellen könne sie sich Hoffnungen machen, für andere gäbe es " keinen Nachfragewert bei Unternehmen".
Richter Weber sieht das auch so und fällt einen rechtskräftigen Freispruch. Ihr Wille wäre da, die Chance nicht. Wie viel Unterhalt sie zahlen kann, muss sie nun mit dem Jugendamt klären. (Michael Möseneder, DER STANDARD, 12.10.2012)