Warschau - Das polnische Parlament hat der Regierung von Ministerpräsident Donald Tusk das Vertrauen ausgesprochen. 233 Abgeordnete stimmten für eine Fortsetzung der Regierungsarbeit, 219 dagegen. Kein Parlamentarier enthielten sich. Tusk hatte die Vertrauensfrage gestellt und damit auf die sinkenden Umfragewerte seiner rechtsliberalen "Bürgerplattform" (PO) reagiert. "Wir wollen unsere Vorhaben umsetzen, wenn wir die parlamentarische Mehrheit haben", sagte Tusk während seiner Rede im Parlament am Vormittag.

Auch die Bauernpartei PSL, kleiner Koalitionspartner der PO, stimmte geschlossen für Tusk. "Es braucht schon viel Desinteresse an Polen, um nicht zu sehen, dass Polen im vergangenen Jahr die EU-Präsidentschaft erfolgreich absolvierte, dass die Fußball-Europameisterschaft heuer ein Erfolg war, dass eine Pensionsreform geglückt ist", erklärte der PSL-Fraktionsvorsitzende Jan Bury. Die Bauernpartei hatte in den vergangenen Wochen für Unruhe in der Koalition gesorgt. Der PSL-Vorsitzende und Wirtschaftsminister Waldemar Pawlak hatte die von der PO geplante Justizreform scharf kritisiert und Gespräche mit Oppositionspolitikern über seine Wirtschaftspläne geführt.

Beobachter sehen in der von Tusk angestrengten Vertrauensabstimmung vor allem den Versuch, die politische Initiative zurückzuerobern. Denn in den vergangenen Wochen hatte die rechtskonservative Oppositionspartei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) die Themen der politischen Debatte vorgegeben - unter anderem durch den Vorschlag eines parteilosen Ministerpräsidenten. In Umfragen überholte die PiS deshalb die Tusk-Partei PO zum ersten Mal seit deren Regierungsübernahme vor fünf Jahren.

"Aber es ist die Frage, ob der Premier in einem einzigen Tag einen Schutzwall vor dieser Flut errichten kann, die anschwillt", kommentierte der Chefredakteur des Politmagazins "Newsweek" Tomasz Lis gegenüber Radio TOK FM. Er sprach damit auch die Probleme innerhalb der PO an. Bei einer Abstimmung in dieser Woche verweigerten 40 PO-Abgeordnete die Fraktionsdisziplin und stimmten für die Arbeit an einem Gesetz, das die Abtreibungsregelung in Polen verschärfen würde. Tusk kritisierte sie dafür, werdenden Müttern "mit dem Gefängnis zu drohen".

In seiner Rede stellte Tusk sein Programm für die verbleibenden drei Jahre der Legislaturperiode dar. Er kündigte einen neuen Fonds an, der mit 40 Milliarden Zloty (9,8 Mrd. Euro) ausgestattet werden und Investitionen - unter anderem in die Suche nach Schiefergas - ermöglichen soll. Das Geld soll aus den Gesellschaften mit Staatsbeteiligung stammen. Außerdem will Tusk den Bau von Autobahnen und Schnellstraßen weiter vorantreiben und bessere Bedingungen für junge Familien schaffen. So sollen Mütter und Väter ein Jahr lang in Erziehungsurlaub gehen können und dabei 80 Prozent ihres Gehalts erhalten.  (APA, 12.10.2012)