Jedes Team braucht einen "Leader", der CEO steht im Dienst des Unternehmens, nicht umgekehrt: Peter Brabeck-Letmathé.

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Als leidenschaftlicher Alpinist sehe ich nach vielen Jahren Bergerfahrung immer wieder Parallelen zwischen dem Bergsteigen und der Führung eines Unternehmens. Es gibt zwei Typen von Bergsteigern, die Einzelgänger, welche die Gipfel im Alleingang erreichen, und jene, die in der Lage sind, eine ganze Gruppe auf den Gipfel zu führen. In der Unternehmensführung wie bei Bergexpeditionen geht es darum, das richtige Team zusammenzustellen, klare Vorstellungen davon zu haben, welche Ziele man erreichen will und wie diese erreicht werden können. Aber wir sind bei Nestlé auch der Überzeugung, dass ein Team als Gruppe niemals eine Führungsfunktion übernehmen kann, sondern jedes Team einen Leader braucht, der die Verantwortung für sein Team übernimmt. Der CEO sollte im Dienste des Unternehmens stehen, nicht das Unternehmen ihm zu Diensten sein. Zudem liegen die wahren Stärken eines Unternehmens nicht in der Größe und der Stärke seiner Operationen, sondern in der Macht seiner Prinzipien und Ziele.

Führen oder Managen

Im Rückblick auf meine Karriere habe ich gelernt, sowohl zu führen als auch zu managen, denn beides ist zum Lenken eines Unternehmens wichtig. Managen bedeutet verantwortlich zu sein, eine Aufgabe zu erfüllen, in die Pflicht genommen zu werden und etwas voranzutreiben. Führen hingegen heißt Einfluss zu nehmen, zu leiten sowie die Richtung, die Meinung und die daraus resultierenden Aktivitäten vorzugeben. Gute Manager sind jene, die die Dinge richtig machen, und gute Führungskräfte sind die, welche den Managern den Weg zu den richtigen Dingen weisen. Jedoch können nur Individuen Freiheit wahrnehmen, Vertrauen entwickeln und Verantwortung übernehmen, nicht aber Organisationen. Deshalb sind es die Menschen, die Mitarbeiter, welche die Stärke eines Unternehmens ausmachen. Sie sind es, die im Zentrum jeder Managementpolitik und aller Unternehmensgrundsätze stehen müssen. Ohne ihren Einsatz und ohne ihr persönliches Einstehen für die Werte und Prinzipien des Unternehmens kann es keinen langfristigen Erfolg geben.

Langfristiger Erfolg

Wenn man eine Firma führen darf - wie beispielsweise Nestlé, die seit bald 150 Jahren existiert - müssen alle Handlungen so abgestimmt sein, dass die Grundlage dafür geschaffen wird, dass diese Firma weitere 150 Jahre erfolgreich arbeitet. Das muss das Ziel sein und nicht, ob man selbst das nächste Quartal im Chefsessel überlebt. Wird nur das Erreichen kurz- oder mittelfristiger Ziele angestrebt, ist ein langfristiges Ziel gewiss außer Reichweite.

Ein Unternehmen sollte aber nicht nur lange, sondern auch nachhaltig erfolgreich sein. Eine wichtige Grundlage hierfür ist sicherlich die kontinuierliche Relevanz des Unternehmens, seiner Produkte, Marken und Dienstleistungen für die Konsumenten. Dafür ist kontinuierliche und langfristige Produkt- und Markenpflege durch Innovation und Renovation erforderlich. Außerdem haben wir als Wirtschaftstreibende nicht nur eine Verantwortung gegenüber dem Kapital und den Aktionären, sondern vor allem auch gegenüber der Gesellschaft. Schließlich ist es die Gesellschaft, die es uns überhaupt erst ermöglicht, wirtschaftlich tätig zu sein. Daher der Aufruf zu einer gemeinsamen und nicht zu einer einseitigen Wertschöpfung. Bei Nestlé nennen wir diesen Ansatz Creating Shared Value: Letztlich müssen die wirtschaftlichen Ziele eines Unternehmens so ausgerichtet werden, dass für alle Beteiligten - die Aktionäre, Mitarbeiter, Konsumenten, Geschäftspartner und die Gemeinschaften, in denen die Firma tätig ist - ein nachhaltiger Wert geschaffen wird. Wir müssen also gemeinsam Werte schaffen, und das kann nur erreicht werden, wenn Nachhaltigkeit und Langfristigkeit die wichtigsten Entscheidungsgrundlagen sind. (Peter Brabeck-Letmathé, DER STANDARD, 13./14.10.2012)