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In einer Ausstellung in Hongkong wird der inhaftierte Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo gezeigt: Er hält eine Puppe in der Hand. Das Foto nahm seine Frau Liu Xia auf.

Foto: Reuters/Yip

Der Pekinger Büroleiter der Financial Times, Jamil Anderlini, fragte bei einer Pressekonferenz höflich beim Leiter der Kommission für Justizreformen, Jiang Wei, nach, wie die Behörden denn mit Liu Xia umgingen. Die Ehefrau des als Dissidenten zu elf Jahren Haft verurteilten Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo stehe ja seit der Verleihung des Osloer Preises an ihren Mann im Oktober 2010 unter Hausarrest. Auf welcher Rechtsgrundlage geschehe das? Der Justizreformer antwortete spitz: "Ob jemand gegen Gesetze verstoßen hat oder nicht, können weder Sie noch ich beurteilen."

Knapp eine Stunde später war auf der Website der Regierung das Protokoll der Pressekonferenz des Staatsrats zu lesen. Die Namen von Liu Xiaobo und Liu Xia fehlten allerding. Tags darauf druckte die Zeitung Fazhi Ribao die Pressekonferenz ab. Die fragliche Passage fehlte zur Gänze.

Chinas Zensur lässt nicht nur Liu Xiaobo totschweigen - sie macht auch seine Frau zur Unperson. Die Nennung des Ehepaares ist für chinesische Medien tabu. Höchste Pekinger Führer haben ein Exem pel statuiert: Als Verfasser des Freiheitsaufrufs "Charta 08" - ein von Tausenden unterzeichnetes Manifest für die umfassende Demokratisierung Chinas - identifizierten sie den Intellektuellen ganz einfach als Gefahr für ihre Macht.

Seit Liu vor zwei Jahren den Friedensnobelpreis erhielt, wird auch seine Frau in ihrer Pekinger Wohnung festgehalten - und zwar ohne strafrechtliche Vorwürfe.

Sie sei, so sagt ein Anwalt, zu einer "Bürgerin der Volksrepublik China ohne Rechte" geworden. Sie darf nicht einmal per Telefon, Post oder Internet mit der Außenwelt kommunizieren. Nur über enge Freunde, die im Kontakt mit ihrer Mutter und ihren Brüdern stehen, sickern - allerdings nicht nachprüfbare - Lebenszeichen durch. So soll Frau Liu einmal pro Woche ihre in der Nähe wohnende Mutter besuchen und bei ihr essen dürfen. Begleitet von Polizisten könne sie auch einkaufen gehen. Alle paar Wochen werde ihr ein Besuch bei ihrem Mann erlaubt, der im knapp 500 Kilometer von Peking entfernten Jinzhou-Gefängnis sitzt.

"Kein Hausarrest in China"

Regelmäßig fragen Teilnehmer von Menschenrechtsdialogen, die China etwa mit der EU führt, nach Liu Xia. Manchmal streite dann die chinesische Seite ab, dass sie unter Hausarrest steht, berichtete einer der Teilnehmer. Sie sagen: "Hausarrest gibt es in China überhaupt nicht."

Auch westliche Regierungen und eine Gruppe internationaler Friedensnobelpreisträger haben sich mit Petitionen für Liu Xiaobo und seine Frau verwendet - sie alle bekamen keine Antwort.

Als am Donnerstag der chinesische Romancier Mo Yan den Literaturnobelpreis erhielt, wurde die Zensur im Internet verschärft. Dennoch findet man in der lebhaften Online-Debatte in China, ob Mo Yan den Preis verdient oder nicht, immer wieder Anspielungen auf Friedensnobelpreisträger Liu: So fragen manche, wie es wohl "unserem anderen Nobelpreisträger und seiner Frau" geht.

"Wie sehr vermisse ich den leeren Stuhl", schreibt etwa der Blogger "Alter Tigertempel". Er spielt auf den Sessel an, den das Osloer Nobelpreiskomitee 2010 bei der Preisvergabe für den inhaftierten Schriftsteller demonstrativ freigehalten hatte. (Johnny Erling aus Peking /DER STANDARD, 13.10.2012)