Frächter im Unterinntal sollen Hunderte Ausnahmebewilligungen vom Lkw-Fahrverbot auf der Bundesstraße erhalten. Damit, so Kritiker, könnten sie die Kontrollstelle Kundl umfahren und das vom Land verfügte sektorale Fahrverbot auf der Autobahn umgehen.

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Innsbruck/Kundl – Ab Mitte August soll für Transportunternehmen und einige andere Betriebe, die im Gewerbegebiet Radfeld bei Kundl ihren Standort haben, das derzeitige Fahrverbot auf der Tiroler Bundesstraße B171 (Tonnagebeschränkung von 7,5 Tonnen) nicht mehr gelten. Die vom Bezirkshauptmann von Kufstein, Johannes Tratter, geplante Maßnahme erfolge "in Abstimmung mit der zuständigen Verkehrslandesrätin", Anna Hosp (VP), sagte Tratter dem STANDARD.

Tratter schätzt, dass "an die 350 bis 400" Ausnahmebewilligungen erteilt würden, Transitforum-Obmann Fritz Gurgiser rechnet mit "an die tausend". Zwei Gründe hätten die Bezirkshauptmannschaft und die Landesrätin dazu bewogen, so Tratter: Zum einen hätten sich "auch durch dieses Fahrverbot" für einige Betriebe (etwa die Spedition Berger des Ex-Formel-1-Fahrers Gerhard Berger) wirtschaftliche Schwierigkeiten ergeben, zweitens sei "Ausweichverkehr auf der Landesstraße zu beobachten", der zu Unmut bei der Bevölkerung führe.

Tratter, der die Maßnahme "erst in einem Monat" bekannt geben wollte, aufgrund erster kritischer Stimmen aber am Mittwoch kurzfristig zu einer Pressekonferenz lud, sagt, dass bei den Ausnahmen streng darauf geachtet werden solle, dass keine "transitierenden Lkw" die Bundesstraße als Ausweichroute benützen.

"Größte Blamage"

Empört reagierte am Mittwoch Transitforum-Obmann Fritz Gurgiser. Mit diesen Ausnahmen sei es möglich, die Lkw-Kontrollstelle Kundl zu umfahren und sowohl das Lkw-Nachtfahrverbot wie das neue sektorale Fahrverbot für bestimmte Güter auf der Autobahn (ab 1. August) zu umgehen. "Wenn diese Maßnahme kommt, muss sich der Tiroler Landeshauptmann bei der EU- Kommission, den Bayern und in Südtirol entschuldigen. Das ist die bisher größte internationale Blamage für Tirols Politik."

Die EU-Kommission hatte vergangene Woche gegen das sektorale Fahrverbot ein ^Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet, Bayern sprach von Beschränkung des freien Warenverkehrs. Die Landesregierung, zuletzt der Landeshauptmann am Dienstagabend im ORF-"Report", hatte das Fahrverbot mit dem Hinweis auf die Gesetzeslage verteidigt: Es wurde aufgrund von Grenzwertüberschreitungen nach Immissionschutzgesetz Luft (das auf einer EU- Richtlinie fußt) erlassen.

Gurgiser bezeichnet die Ausnahmebewilligungen als "klassische Diskriminierung" gegenüber anderen Transportunternehmen in Europa. "Keines unserer Fahrverbote würde rechtlich noch zu halten sein." Die meisten der in Radfeld ansässigen Speditionen seien großteils im Transit zwischen Deutschland und Italien unterwegs. Bis Redaktionsschluss lagen weder von Landeshauptmann van Staa noch von Verkehrslandesrätin Hosp Reaktionen vor. (Benedikt Sauer/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 3.7.2003)