Salzburg - Bilder vom Verschwinden des Körpers, von der Auflösung seiner Kontur und Konsistenz, rühren an eine existenzielle Saite in uns. Sie erinnern an dunkle Träume, an Trennungen und an den Tod. Im Tanz sind das Auf- oder Abtreten, das Sich-zu- oder -abwenden und die Tiefenschärfe der körperlichen Erscheinung starke Gleichnisse für die Drift des Subjekts zwischen Sein und Nichtsein. Mit traumhafter Luzidität gelingt es der belgischen Choreografin Manuela Rastaldi in ihrem Stück Loom , über Bildzeichen des Verschwindens zu reflektieren.

In drei großen, weißen Kästen, deren Vorderfronten aus weißen Gummibändern bestehen, zeichnen sich unter stark schummrigem Licht Gestalten ab, die mit ihren Körpern Schattenzeichen projizieren. Ab und zu brechen Finger, Hände, Köpfe durch; die Figuren werfen ihre Körper rhythmisch von innen gegen die Gummiwände und erzeugen so ein hypnotisierendes Pulsen. Als die Tänzerinnen ihre Käfige verlassen, treten sie in ein vages Halbdunkel, bleiben unscharf, zeichnen aber umso exaktere, skulpturale Figuren in den Raum. Widerständige Genauigkeit dient ihnen als Waffe in ihrem Kampf gegen das drohende Verschwinden.

Gemma Higginbotham, Julie Laporte, Uiko Watanabe und Rastaldi selbst tanzen in einer immer wieder unterbrochenen Klangspur von Charo Calvo und Thierry De Mey. Geräusche, Töne und Wortfetzen gleiten in das komplexe Bewegungsmuster, mit dem die Tänzerinnen untereinander kommunizieren. Sie geben einander Gesten weiter, wandeln sie um, verknüpfen sie und bauen so komplexe, ephemere Formen in den Raum.

Die Körper-"Skulpturen" abstrahieren sich in immer intensiver gesetzten Duetten, Soli und Quartetten. Und wie spielerisch siegen Vorläufigkeit und Auflösung gegen die Beharrung. Am Ende dienen die weißen Gummizellen als Projektionsflächen für Videoaufzeichnungen von den Schattenspielen zu Beginn. Das Bild verschwindet und der Körper in ihm.

In einigen Ideen und Details erinnert dieses Hybrid aus Installation, Performance und Tanz an Emio Greco und Xavier Le Roy. Die 31-jährige, in Italien geborene Rastaldi beweist mit dem gelungenen Gastspiel von Loom beim Sommerszene-Festival in Salzburg ihr außergewöhnliches choreografisches Können und ein wachsendes konzeptuelles Engagement. (DER STANDARD, Printausgabe, 3.7.2003)