Wien/Kopenhagen/Graz - Vor rund 2.800 Jahren wurden die sterblichen Überreste eines offensichtlich wohlhabenden Mannes in ein Tuch eingeschlagen und in einer Bronze-Urne aufbewahrt. Gefunden wurde die Urne 1861 in Lusehøj, einer der reichstausgestatteten Bronzezeitgrabstätten Dänemarks in Voldtofte. Bisher ging man davon aus, dass das Textil aus lokaler Produktion stammte. Wissenschafter haben nun herausgefunden, dass der Stoff aus Brennnesselfasern gewebt wurde, die aus dem Gebiet des heutigen Österreich stammen. Ihre Ergebnisse haben sie kürzlich in der Fachzeitschrift "Nature Scientific Reports" veröffentlicht.

Zunächst wurde angenommen, dass das Stück aus Flachs gewebt worden war, da die Verarbeitung von Pflanzenfasern in der Bronzezeit bisher nur in Verbindung mit lokal kultivierten Pflanzen bekannt war. Neue Untersuchungen von Wissenschaftern der Universitäten Bergen und Kopenhagen zeigten allerdings, dass der Stoff aus Brennnessel-Fasern gefertigt wurde. Das in den Pflanzenfasern gemessene Verhältnis der Strontiumisotope weist auf ein Wachstum der Brennnesseln in der Region Steiermark-Kärnten hin.

Neues Licht auf bronzezeitlichen Handel

Pflanzen nehmen im Laufe ihres Lebens kontinuierlich das in der Erdkruste eingelagerte Element Strontium auf, das in verschiedenen Isotopen vorkommt. Je nach Boden- bzw. Gesteinsuntergrund lagern Pflanzen somit eine unterschiedliche Menge an verschiedenen Strontium-Isotopen ein. Durch die Messung dieser Werte konnte somit auf das österreichische Herkunftsgebiet der Brennnesseln geschlossen werden. Auch die Merkmale der Urne, in der die Kleidungsreste gefunden wurden, bestätigen die "österreichische" Herkunft.

Aufgrund der beeindruckenden Grabbeigaben und der gefundenen "Export-Artikel" wird angenommen, dass es sich bei dem Verstorbenen um einen skandinavischen Handelsreisenden gehandelt hat. Die neuen Erkenntnisse werfen ein neues Licht auf den bronzezeitlichen Handel. "Während der Bronzezeit wurden offensichtlich auch Textilien in viel größerem Rahmen gehandelt als bisher angenommen wurde. Obwohl ähnliche Rohstoffe lokal zur Verfügung standen, wurden Textilien bzw. Textilfasern importiert - möglicherweise, weil sie als Luxusartikel galten", schreiben die Wissenschafter. Bei wertvollen Metall- bzw. Bronzeobjekten waren solche Handelsströme bereits bekannt. (APA/red, derStandard.at, 16. 10. 2012)