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Es geht nicht weiter - der IWF ändert seine Einstellung zum Sparen.

Foto: APA/Patrick Pleul

Frankfurt am Main - Eine Mischung aus Schadenfreude und Frust - so lässt sich die Reaktion einstiger Schuldnerländer des Internationalen Währungsfonds (IWF) auf dessen Strategiewechsel bei den Euro-Krisenländern wohl am besten beschreiben. Länder wie Argentinien, Indonesien oder Südkorea sehen ihre leidvollen Erfahrungen endlich anerkannt: dass nämlich harsche Sparpolitik allein den Karren nur noch tiefer in den Dreck zieht.

Denn zu dieser Erkenntnis ist der IWF nun auch gekommen: Hauseigene Studien der mächtigen Finanzorganisation zeigen, dass der wirtschaftliche Schaden einer aggressiven Sparpolitik bis zu drei mal höher sein kann als ursprünglich angenommen. Doch während zum Beispiel Griechenland jetzt darauf hoffen kann, von seinem bisher sehr strengen Kreditgeber mehr Zeit zur Sanierung des Haushalts zu erhalten, kommt die Einsicht für "IWF-Absolventen" in Lateinamerika und Asien viel zu spät.

Aus Fehlern lernen

"Sie haben aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt", freut sich der indonesische Handelsminister Gita Wirjawan. "Was wir 1998 durchgemacht haben, war schmerzlich. Ich habe das erlebt und ich hoffe, dass die Schwierigkeiten, die wir ausgestanden haben, eine Lehre sind." Nach Einschätzung des argentinischen Wirtschaftsministers Hernan Lorenzino ist die Einsicht des IWF ein "erster Schritt", um in den verschuldeten europäischen Ländern einen umsichtigeren Kurs einzuschlagen.

Es ist Aufgabe des 188 Mitgliedsstaaten zählenden Internationalen Währungsfonds, die weltweiten Finanzsysteme zu überwachen und bei Zahlungsbilanzproblemen von Regierungen oder bei einem drohenden Staatsbankrott einzugreifen. Die Organisation ist dafür bekannt, seinen Schuldnern harte Bedingungen zur Haushaltskonsolidierung zu diktieren. Diesen Kurs ist der Fonds bis jetzt auch in der europäischen Schuldenkrise gefahren. "Ratschläge sind manchmal schwierig - sowohl im Geben als auch im Annehmen", gestand IWF-Chefin Christine Lagarde nun vor wenigen Tagen auf der Herbsttagung des IWF und der Weltbank ein. Sie setzt sich jetzt dafür ein, Athen mehr Zeit zu geben. Alles andere wäre kontraproduktiv, so das Argument.

Die harte IWF-Politik während der Krisen in Asien und Lateinamerika hat in den betroffenen Ländern tiefe Spuren hinterlassen. Die bis heute beispiellose Staatspleite Argentiniens vor gut zehn Jahren und das damit verbundene Leid der Bevölkerung hätte Kritikern zufolge durch flexiblere Auflagen des Fonds verhindert werden können. Inzwischen wieder auf gesunden Beinen stehend, findet das Land auch heute kaum gute Worte für den IWF. Der Unterstützung der Finanzwirtschaft weit mehr Bedeutung als der Realwirtschaft beizumessen, führe dazu, dass am Ende die Arbeiter die Krise auszubaden hätten, wurde Wirtschaftsminister Lorenzino kürzlich von einer Konferenz in Buenos Aires zitiert.

Hilfskredit

Auch Indonesien hatte 1997 einen zehn Milliarden Dollar (7,71 Mrd. Euro) schweren Hilfskredit erhalten. Als Gegenleistung musste das Land seine Ausgaben kürzen, Steuern erhöhen, Banken schließen und seine Geldpolitik straffen. All das sollte den konjunkturellen Abschwung im Schach halten. Doch es kam anders: Statt eines anvisierten drei-prozentigen Wachstums brach die indonesische Wirtschaft 1998 um 13 Prozent ein. Ähnlich erging es Südkorea. Nach Einschätzung von Chung Duck-koo, der damals für Südkorea die Verhandlungen mit dem IWF leitete, hatte der Fonds fälschlicherweise eine Währungskrise als finanzpolitische Krise diagnostiziert und die falschen Reformen verordnet. "Das war wie ein Feuerwehrmann, der zu spät kommt, zu wenig Wasser dabei hat und dann auch noch den Brandherd nicht richtig erkennt", sagt Chung Duck-koo. "So wurde das Feuer noch größer."

Bis heute ist die Reputation des IWF in Asien angeschlagen. Länder der Region haben gut sechs Billionen Dollar an Währungsreserven angesammelt, unter anderem, um niemals wieder beim IWF vorsprechen zu müssen.

Straffe Geldpolitik

Ein Fehler, der dem IWF in der Vergangenheit angelastet wurde, war das Beharren auf einer straffen Geldpolitik. Den die Wirtschaft lähmenden staatlichen Sparprogrammen hätten schließlich die Zentralbanken mit Zinssenkungen gegensteuern können, erklären Volkswirtschaftler. Unternehmen wären so entlastet worden. Das sieht inzwischen auch der Währungsfonds ein. Allerdings nutzt es ihm bei der aktuellen Krise wenig, denn die Leitzinsen liegen schon auf historisch niedrigen Niveaus, und die Notenbanken haben den Markt mit billigem Geld geflutet.

"Wir sind in einer Phase, in der viele Länder in einer Liquiditätsfalle gefangen sind", konstatiert IWF-Chefvolkswirt Olivier Blanchard. Die noch zur Verfügung stehenden Mittel der Geldpolitik seien von daher eingeschränkt. Die Haushalte müssten also zum Großteil ohne den ausgleichenden Effekt der Geldpolitik konsolidiert werden.

So bleibt nicht viel, um die unter der Schuldenlast und den Reformauflagen ächzenden Länder zu entlasten, außer: Zeit. Christine Lagarde hat für Griechenland einen Aufschub von zwei Jahren ins Gespräch gebracht, auch für Portugal und Spanien fordert sie mehr Geduld. Bei den anderen Geldgebern aus der Eurozone trifft der Vorschlag auf ein gemischtes Echo. Und der Währungsfonds erlebt ein Novum: der IWF muss seine Partner von seiner "weicheren" Strategie überzeugen. (APA/Reuters, 16.10.2012)