"Dossier", so nennt sich eine Seite, die am Mittwoch um 9.00 Uhr online ging. Staub aufgewirbelt hat das Portal bereits. Schon vor dem Start steht eine Klage im Raum. "Dossier" ist als Daten- und Rechercheplattform konzipiert, an Bord sind vier Journalisten und ein Mediengestalter.
Zum Sprungbrett für "Dossier" soll ein aktuelles Thema werden. Die Inseratenaffäre. Als erstes Projekt hat das Team nämlich das Anzeigenaufkommen der Zeitung "Heute" untersucht. Von der Gründung des Blattes im September 2004 bis Ende 2011. In monatelanger Bibliotheksarbeit. Ausgabe für Ausgabe, Seite für Seite.
Stadt Wien soll fleißigster Inserent sein
Erste Ergebnisse präsentierten die Initiatoren am Montag vorab. Als größter Inserent in den siebeneinhalb Jahren wurde die Stadt Wien mit ihren Unternehmen identifiziert, stolze 29 Millionen Euro sollen in Anzeigen geflossen sein, was 2.443 Seiten Werbung entspricht, wie die Journalisten behaupten. Brutto, ermittelt nach den Listenpreisen der jeweiligen Jahre. Das wären rund 15.700 Euro pro Ausgabe. Zu sehen sind die Zahlen in einem Präsentationsvideo, das die Betreiber am Dienstag veröffentlichten.
Zahlen, die "Heute"-Herausgeberin Eva Dichand dementiert, der STANDARD berichtete bereits. Dichand erwägt rechtliche Schritte, gegenüber medianet spricht sie von "wettbewerbsschädigendem" Verhalten und einem "Imageschaden", der durch die Berichterstattung entstehe. Am Mittwoch werden die Rohdaten der Analyse auf der Homepage publiziert. Penibel aufgelistet nach Tagen, Seiten und werbenden Unternehmen. Im Sinne der Transparenz, denn die soll zum Credo der Plattform werden.
Weiterführende Recherchen anstoßen
"Dossier" ist nämlich ein Open Data-Projekt, weiterführende Recherchen und Ergänzungen sind erwünscht, wie die Gründer betonen. Im Idealfall sollen die Analysen eine Initialzündung für andere Medien sein. Und: "Sollten daraus Geschichten entstehen, bitten wir nur um eines: uns zu zitieren", sagt Florian Skrabal zu derStandard.at. Der freie Journalist gehört neben Sahel Zarinfard, Georg Eckelsberger, Paul Pölzlbauer und Fabian Lang zum Gründungsteam der Plattform.
Das Ziel skizziert er so: "Unsere Recherchen konzentrieren sich auf Themen, die im öffentlichen Interesse stehen. Sie handeln von Korruption in Politik und Wirtschaft, von der Ausbeutung Schwächerer, vom Missbrauch durch Stärkere, vom Versagen Einzelner und ganzer Systeme", so Skrabal, der das Fehlen von investigativem Journalismus in Österreich kritisiert. Bis auf wenige Ausnahmen. Was fehlt sind "Zeit, Geld und Unabhängigkeit". Die Konsequenz? "Auf der Strecke bleiben Journalismus, Demokratie und Gesellschaft."
Spenden, Recherchestipendien
Finanziert werden soll die Seite über Spenden, ein Flattr-Button ist eingebaut. Die Hoffnung: "100 Euro von 100 Menschen, dann können wir unsere nächste Recherche starten", meint Skrabal. Neben Crowdfunding kommen als weitere Finanzierungsschienen noch Aufträge von Medien für Rechercheprojekte und Recherche-Stipendien von internationalen Stiftungen in Frage. Abgelehnt werden Werbung und öffentliche Förderungen. Um die Unabhängigkeit zu wahren, heißt es. (Oliver Mark, derStandard.at, 16.10.2012)