200 Millionen Euro flossen ins G3 vor den Toren Wiens, 1600 Jobs sollen entstehen. Kleine Bezirksstädte rundum bangen um Kunden, denn die Kaufkraft stagniert.

Foto: G3
Grafik: DER STANDARD

Wien - Den Gerasdorfer Nachtfaltern droht kein Schaden: Spezielle Beleuchtung rund um das neue Einkaufsresort soll ihr Verglühen an den Lampen verhindern. Auch für Vögel sind eigene Futterplätze auf dem Areal reserviert. Für die Betreiber von Handelsfläche vom Norden Wiens bis weit hinein ins Weinviertel wird es freilich eng.

Am Donnerstag eröffnet in Gerasdorf hart vor den Toren Wiens das größte in einem Stück errichtete Shoppingcenter Österreichs. 200 Millionen Euro flossen in gut 70.000 Quadratmeter vermietbare Fläche, 97 Prozent sind vergeben, sagt Thomas Jakoubek, Chef des Projektentwicklers und Eigentümers, BAI Bauträger Austria, hinter der eine Bank-Austria-Stiftung steht. 143 Händler hat das G3 derzeit unter Vertrag, und bis zu 1600 Arbeitsplätze sollen entstehen.

Der hohe Vermietungsstand sei einzigartig, wie auch die Architektur, meint Jakoubek. "Wir haben nicht einfach etwas hingeklescht. Alle Details stimmen." Mit Sicherheit lasse sich das Center auch sofort mit Gewinn verkaufen. "Sonst hätten wir nicht so viel investiert."

Ein Jahr hat sich die Eröffnung des Riesenprojekts verzögert. Aufgrund der komplexen Umweltverträglichkeitsprüfung, erläutert Jakoubek. Wegen der über lange Zeit schwachen Mieternachfrage, meinen Handelsexperten. Bergauf sei es erst gegangen, als der irische Textildiskonter Primark den Einzug ins G3 zusicherte. "Das hat die weitere Vermietung erleichtert", sagt Roman Schwarzenegger vom Berater Standort+Markt. Dass bei den Mietkosten teilweise stark gedumpt wurde, wie Händler erzählen, weist Jakoubek zurück. "Wir liegen hier im oberen Schnitt."

Letzter Koloss auf der Wiese

Gerasdorf wird der letzte große Handelskoloss auf grüner Wiese in Österreich sein. Strengere neue Raumordnung lässt Widmungen dieser Dimension nicht mehr zu. Es sei absurd, dass in kleinen Gemeinden derartige Baugenehmigungen durchgingen, ohne Wien und das Umland darin einzubinden, sagt Peter Schnedlitz, Experte der Wirtschaftsuni Wien. "Es ist eben eine große Lobby dahinter."

Gerasdorf bedrohe die Center in den Bezirksstädten. "Es trifft hier nicht sterbende Greißler, sondern auch moderne Handelsagglomerationen." In Wien gerieten Areale wie SCN und Donauzentrum unter Druck, die Einkaufscenter kannibalisierten sich nun selbst, "die Revolution frisst ihre Kinder".

"Wir wurden oft tot gesagt", sagt SCN-Managerin Sonja Gimplinger. Ihr Center sei Nahversorger und vom neuen Konkurrenten daher wenig betroffen. Das G3 hebe den Konsum nicht an, "es gibt sicher eine Umverteilung", sagt Jakoubek, der auch der SCS in Vösendorf Kunden abnehmen will. "Die Kaufkraft im Norden Wiens ist geringer als im Südwesten", gibt Wolfgang Richter, Chef des Marktforschers Regioplan, zu bedenken. "Es wird also spannend."

Nach drei bis fünf Saisonen gebe es Klarheit, ob das Konzept aufgehe, meint Stephan Mayer-Heinisch, Präsident des Verbands der Einkaufszentren. "Einfluss auf die Region haben Brummer immer."

4000 bis 5000 Euro Umsatz pro Quadratmeter braucht es, um ein Einkaufszentrum rentabel zu führen. 8500 Euro erzielen die besten. Gewinne müsse es innerhalb von drei Jahren geben, so Schnedlitz. "Eine zweite Chance gibt es nicht - man ist zum Erfolg verdammt." Selbstläufer seien auch große Projekte keine. "Viele sehen nur die Erfolgsstories, aber das Gasometer etwa ist heute eine Geisterstadt."

30 Center kämpfen in und um Wien auf 700.000 Quadratmetern um Kunden. 2011 war der Flächenanstieg stärker als jener der Kaufkraft. Neu und ausgebaut wird nach wie vor, in Bälde eröffnet das erweiterte Auhof-Center.

Die Bank Austria verhandelt mit Fonds dem Vernehmen nach bereits intensiv den Verkauf des G3. Ein Muss sei das nicht, sagt Jakoubek. "Stimmt der Preis, kann es jedoch schnell gehen." (Verena Kainrath, DER STANDARD, 17.10.2012)