Obama war bereit. Diesmal würde er die Attacken seines republikanischen Herausforderers nicht stillschweigend einstecken. Diesmal würde er zurückschlagen. Diesmal sollte die Debatte ihm keine Einbußen in den Umfragewerten bringen. Diesmal sollte alles anders laufen als noch vor zwei Wochen als die Präsidentschaftsbewerber das erste Mal vor laufenden Kameras aufeinandertrafen.
Und der Plan ging auf. Bei der Debatte, die gestern Abend aus der Hofstra University auf Long Island über die Bildschirme flackerte, sahen die Wähler einen angriffigen US-Präsidenten, der bereit war, die Politik seiner Amtsperiode zu verteidigen.
Mitt Romney hatte nach der vergangenen Debatte in den Umfragewerten stark zugelegt. Ein potentieller Stimmengewinn, den der Republikaner versuchte mit Zähnen und Klauen zu verteidigen. Romneys Grundaussage während der ganzen 90 Minuten war: Obama hatte vier Jahre. Es geht den Amerikanern nicht besser. Wählt mich, ich weiß wie die Wirtschaft funktioniert.
"Nicht wahr, Gouverneur Romney, nicht wahr"
Obama hielt dagegen. Mehrmals bezeichnete er die Aussagen und Vorwürfe Romneys als falsch. "Was Gouverneur Romney sagt, ist einfach nicht wahr", war beispielsweise beim Thema der Ölfördermengen zu hören. Oder simpler: "Nicht wahr Gouverneur Romney, nicht wahr."
Diesmal wird wohl kaum jemand Obama vorwerfen können, nicht angriffig genug gewesen zu sein. Oder Chancen für einen Gegenschlag nicht genutzt zu haben. Obama versuchte Romney als einen Kandidaten zu portraitieren, der die Wahrheit biegt, wann immer es seinen Argumenten nutzt. Als jemanden, der seine politischen Positionen wechselt, wann immer es um die Unterstützung einer bestimmten Interessensgruppe geht. Romneys Gesundheitsreform während seiner Zeit als Gouverneur von Massachusetts wäre nichts anderes als die von Obama durchgebrachte Gesundheitsreform, die er jetzt scharf attackiert und sollte er Präsident werden wieder rückgängig machen will.
Auch die Position zur Kohleindustrie habe Romney gewechselt. Noch vor wenigen Jahren wollte er als Gouverneur von Massachusetts ein Kohlebergwerk schließen, sagte Obama. Jetzt behauptet er, Jobs in diesem Industriezweig schützen zu wollen.
Moderater Romney
Romney war erneut gut vorbereitet und gab sich schon wie bei der ersten Debatte als Kandidat der Mitte. Er wolle nicht, wie ihm von Obama vorgeworfen, die Reichen weiter steuerlich entlasten. Lediglich die Mittelklasse solle weniger Steuern zahlen. Ein Punkt der bei Obama lediglich Kopfschütteln auslöste. Obamas Konter: Romney sei bis jetzt schuldig geblieben, wie er die versprochenen Steuersenkungen im Budget ausgleichen wolle.
Raus aus der Defensive
Obama boxte sich gestern Abend aus der Defensive, in die er sich während der ersten Debatte manövriert hatte. Die Schwäche des amtierenden Präsidenten bei dieser Debatte lag in der fehlenden Zukunftsstrategie. Er verbrauchte wertvolle Sendeminuten, um die Angriffe Romneys zu kontern. Zeit die ihm fehlte, wenn es darum ging kommende Vorhaben vorzustellen. Es blieb bei einem vagen, lasst mich meinen Weg weitergehen. Möglicherweise ändert sich das bei der dritten und letzten Debatte der beiden am 22. Oktober in Florida. (Michaela Kampl, derStandard.at, 17.10.2012)