Der Verfassungsgerichtshof hat Bedenken gegenüber der autonomen Einhebung von Studiengebühren.

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Einhebung von Studiengebühren.

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Wien - Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat Bedenken gegen die "autonome" Vorschreibung und Einhebung von Studiengebühren durch die Universitäten. Diese Vorgangsweise könnte der Verfassung beziehungsweise dem Universitätsgesetz (UG) widersprechen, sagte VfGH-Präsident Gerhart Holzinger bei einer Pressekonferenz am Mittwoch. Deshalb habe man ein Verordnungsprüfungsverfahren betreffend die entsprechenden Bestimmungen in der Satzung der Universität Wien eingeleitet.

Bedenken in zwei Punkten

Konkret hat der VfGH laut Holzinger gleich in zwei Punkten Bedenken: Einerseits sei man vorläufig der Ansicht, dass die Einhebung von Studiengebühren nicht in die Autonomie der Unis fällt. Selbst wenn man dies aber bejahe, müsse man sich fragen, ob der Umstand, dass im UG nach wie vor auf Studiengebühren Bezug genommen wird, nicht eine autonome Regelung durch die Unis ausschließe.

Seine Entscheidung will der VfGH so rasch wie möglich treffen, so Holzinger. Man sei sich der Bedeutung der Sache bewusst. Realistisch sei eine Entscheidung im ersten Viertel des Jahres 2013. In mehr als 85 Prozent der Fälle, in denen der VfGH ein Prüfungsverfahren von Amts wegen einleitet, führen die vorläufigen Bedenken tatsächlich zur Aufhebung der Bestimmungen.

Staatliche Verantwortung

Seine Bedenken gegen die autonome Studiengebühren-Einhebung stützt der VfGH auf die Überlegung, dass die Vorschreibung von Studiengebühren einer besonderen staatlichen Verantwortung unterliege. Die Übertragung einer weit reichenden Finanzautonomie dürfte mit dieser nicht im Einklang stehen. Das resultiere aus der besonderen gesellschaftlichen Bedeutung der staatlich finanzierten Regelstudien. "Eine solche Übertragung der Finanzverantwortung an die Unis würde die öffentlichen Universitäten und nicht den Gesetzgeber entscheiden lassen, welche finanziellen Zugangshürden bei der Aufnahme eines Regelstudiums an den öffentlichen Universitäten bestehen sollen", so Holzinger. Dies dürfte nach vorläufiger Einschätzung des VfGH verfassungswidrig sein.

Selbst wenn man diese Auffassung nicht teile, könnte die angefochtene Satzung der Uni Wien gesetzwidrig sein, meinte der VfGH-Präsident. Nach der teilweisen Aufhebung der alten Studiengebührenregelung durch den VfGH seien noch immer Bestimmungen über Studienbeiträge im UG übrig geblieben. Nun stelle sich die Frage, ob aufgrund dieses Umstands eine autonome Regelung durch die Unis nicht ausgeschlossen sei.

Holzinger rät Unis zur Vorsicht

Den Unis empfahl Holzinger, mit einer neuerlichen Einhebung von Gebühren "vorsichtig zu sein, bis die endgültige Entscheidung kommt". Dass das Thema Studiengebühren ein "vermintes Gebiet" ist, habe sich ja bereits wiederholt gezeigt.

Gebühren könnten zurückgezahlt werden

Bei Aufhebung der entsprechenden Bestimmungen würde jener Student, der mit seiner Bescheidbeschwerde das Verordnungsprüfungsverfahren ausgelöst hat, die Gebühren zurückerhalten. Auch jene Studenten, die vor dem nun gefallenen Prüfungsbeschluss beim Uni-Senat einen Antrag gestellt haben, könnten als "Quasi-Anlassfälle" behandelt werden und sich Hoffnungen auf eine Rückzahlung des Geldes machen.

Töchterle begrüßt Prüfung

Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle sagte in einer Stellungnehme, es sei zu begrüßen, "dass mit der angekündigten Prüfung des Verfassungsgerichtshofs Klarheit darüber hergestellt wird, ob die Universitäten bei der derzeitigen Gesetzeslage autonom Studienbeiträge einheben dürfen".

Für Töchterle spiegelt die Einleitung des Verfahrens die bisherige Diskussion wider."Es war von vornherein klar und auch in der bisherigen Diskussion offenkundig, dass es sich um eine rechtlich sehr kontroversielle Frage handelt", erklärte Töchterle in einer Aussendung. Holzingers Appell zu einer politischen Lösung bestärke ihn in seinem Bemühen, "durch eine gesetzliche Neuformulierung Rechtssicherheit zu schaffen".

SPÖ sieht sich bestätigt

SPÖ-Wissenschaftssprecherin Andrea Kuntzl sieht ihre Bedenken gegen die autonome Einhebung von Studiengebühren bestätigt. Gleichzeitig betonte sie, "dass die SPÖ nach wie vor zu einer politischen Lösung bereit ist". Man habe Töchterle bereits vor Monaten einen Vorschlag für eine Reparatur der betroffenen Regelungen übergeben, so Kuntzl. "Ich stehe sofort für Verhandlungen über diesen Vorschlag zur Verfügung. Unser Angebot gilt."

Den betreffenden Vorschlag hat der Minister bisher abgelehnt, weil er "nur" eine Gesetzesreparatur der alten, vom VfGH aufgehobenen Regelung mit zahlreichen Ausnahmen von der Gebührenpflicht vorsieht.

ÖH: Minister soll auf Studierende hören

Die Österreichische HochschülerInnenschaft (ÖH) sieht sich durch das Vorgehen des VfGH hingegen bestätigt. "Es ist höchste Zeit, dass sich Minister Töchterle der vom VfGH angesprochenen 'besonderen staatlichen Verantwortung' bewusst wird", erklärte die stellvertretende ÖH-Vorsitzende Angelika Gruber.

Rektoren-Chef wollte raschere Entscheidung

Der Präsident der Universitätenkonferenz, Heinrich Schmidinger, bedauerte das lange Warten auf eine endgültige Entscheidung. "Wir warten jetzt einmal den endgültigen Spruch des Verfassungsgerichtshofes ab", sagte Schmidinger. Die Universitätenkonferenz habe nicht damit gerechnet, dass sich das bis ins neue Jahr hinziehe.

Sollten sich die Bedenken des VfGH bestätigen, gehe die Universitätenkonferenz davon aus, dass das Wissenschaftsministerium den Unis den Entfall sämtlicher Studienbeiträge ersetzt - also nicht nur jener, die derzeit autonom eingehoben werden. 

Weiter Gebühren an Uni Wien

Die Universität Wien stellte klar, dass nach derzeitigem Stand jene Studenten, die unter die Studiengebührenregelung fallen, auch im kommenden Sommersemester ihre Beiträge entrichten müssen. Solange die endgültige Entscheidung nicht gefallen sei, gelte die angefochtene Verordnung des Senats weiter, sagte Rektor Heinz Engl. (APA, 17.10.2012)