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Am 25. Oktober werden die Big-Brother-Awards im Rabenhof Theater verliehen.

Foto: Reuters

Auch heuer werden in Österreich wieder die unter der Schirmherrschaft von Privacy International stehenden Big-Brother-Awards vergeben. Veratwortlich für die Negativ-Auszeichnung in Sachen Datenschutz und Privatsphäre ist der Verein Quintessenz. Die Verleihung findet am 25. Oktober, einen Tag vor dem Nationalfeiertag, im Wiener Rabenhof Theater statt. Die ersten Nominierungen wurden bereits bekanntgegeben.

IFPI beharrt auf Netzsperren

In der Kategorie "Business und Finanzen" finden sich der Musikindustrieverband IFPI, der sich weiterhin für Netzsperren ausspricht und eine Auskunftspflicht für Internetprovider bei etwaigen Verstößen von Privatnutzern fordert.

Der gläserne Patient

Für Analyse und Vermarktung von Patientendaten ist IMS Health auf der Liste gelandet. Laut Nominierungsschrift bietet das Unternehmen Ärzten 432 Euro jährlich an, um die Praxissoftware via Plug-in Daten automatisch übermitteln zu lassen. Erfasst werden etwa Geschlecht, Geburtsjahr, Diagnosen oder Medikamente und deren Dosierung. Auch mit Krankenhäusern und Apotheken arbeitet man zusammen.

Zahlen beim Vorbeigehen

Dritter Anwärter ist das CardService der Raffeisen Bank International. Dessen Leiter, Gerhard Kubu, wünscht sich kontaktloses Bezahlen ohne zusätzlicher Abfrage eines PINs. Via NFC und PayPass soll bei "Tap&Go" schon die Annäherung an die Kassa als Zustimmung zum Bezahlvorgang gelten - nicht nur zur Freude der Banken, sondern aufgrund der zahlreichen, denkbaren Missbrauchsmöglichkeiten auch für Kriminelle.

Im Vorjahr "gewann" A1-Chef Hannes Ametsreiter diese Kategorie, und zwar für Aussagen im Wall Street Journal und anderen Medien, die allgemein als Angriff auf die Netzneutralität gewertet wurden.

Petitionsplattform schickt Daten an Google

Auch die potenziellen Preisträger der Rubrik "Behörden und Verwaltung" stehen bereits fest. Als Erste auf der Liste finden sich Nationalratspräsidentin Barbara Prammer und die Leiterin der Digitale Medien-Abteilung, Ines Kerle.

Grund: Bei der Einreichung von Petitionen und Bürgerinitiativen über die Webseite des Parlamentes wird ein Captcha-Dienst von Google als Sicherung verwendet. Damit landen heikle Daten beim Netzriesen, deren Auswertung beispielsweise rückverfolgen ließe, welcher Österreicher welches Vorhaben unterstützt hat.

Eine Frage des Lebensstils

Ebenfalls gute Chancen auf den Award haben Christoph Leitl und Peter McDonald, ihres Zeichens Präsident bzw. Obmann-Stellvertreter der Sozialversicherungs-Anstalt. Diese hat ein System eingeführt, dass Versicherten eine Senkung des Selbstbehalts beim Ärztehonorar von 20 auf zehn Prozent ermöglicht. Dazu muss gemeinsam mit dem Arzt ein Gesundheitsziel definiert und erreicht werden.

Daran wird heftige Kritik geübt, die man mit Bevormundung begründet. "Patienten, die nicht wollen, dass ihnen vorgeschrieben wird, wie sie zu leben haben, werden allerdings bestraft", so die Erklärung. Denn sie haben keine Chance auf den Bonus. Auch für Ältere und chronisch Kranke ist der Zugang zu dieser Ermäßigung nur schwer bis gar nicht möglich.

Dazu scheint man es mit dem Datenschutz bei der SVA nicht all zu genau zu nehmen. Für die Urbefragung wurden die Fragebögen mit individuellen Nummern ausgestattet. Diese fand sich später in einer personalisierten E-Mail wieder, die von der Jungen Wirtschaft ausgeschickt worden war.

Smart Meter als Vermarktungsinstrumente

Zu Nominierungsehren kommt auch das Smart Meter-Projekt. Die Daten, die von der neuen Generation an Stromzählern erhoben werden, lassen offenbar zahlreiche Rückschlüsse auf das Leben der Bewohner des Hauses oder der Wohnung zu - von der Nutzungsfrequenz einzelner Haushaltsgeräte bis hin zum gewählten TV-Programm. Daten, die von hohem Wert für Händler und Werbewirtschaft sein könnten.

Bis 2019 sollen alle bisherigen Zähler durch die neuen Geräte ersetzt werden, insgesamt 5,5 Millionen Stück. Statt einer jährlichen Verbrauchsablesung erfolgt diese dann wenigstens alle 15 Minuten automatisiert. Die Verbrauchsdaten sollen drei Jahre auf Vorrat gespeichert werden, eine Verordnung der E-Control unter Martin Graf und Walter Boltz, wofür die beiden auch persönlich nominiert sind. Die Behörde will den Stromlieferanten bei neuen Anwendungen und Geschäftsmodellen freie Hand lassen, wenngleich eine personalisierte Auswertung immerhin einer Zustimmung bedürfen wird.

MA 40 räumte ab

Letztes Jahr räumte die Leiterin der Wiener Magistratsabteilung 40 den Preis ab. Diese reicht die Daten von Sozialhilfe-Antragstellern an AMS, Bundespolizei, Arbeitgeber und zwölf weitere Empfänger weiter, die dazu auch noch ein Auskunftsrecht erhalten. Besonders heikel ist, dass in Wien auch der Vermieter informiert wird. Eine Klausel, deren Widerrufsmöglichkeit auch noch ungünstig - direkt unter der Zustimmungserklärung - platziert ist.

Morgen werden die Award-Kandidaten der Kategorie "Politik" bekanntgegeben, am 22. und 24. Oktober folgen dann "Kommunikation und Marketing" und "Weltweiter Datenhunger". (red, derStandard.at, 17.10.2012)