Wien - 27 Künstler- und Interessenverbände haben für Mittwochnachmittag zu einem Protestmarsch für eine Festplattenabgabe aufgerufen. Am Demonstrationszug vom Schwarzenbergplatz über das ORF-Funkhaus und das Bildungszentrum der Arbeiterkammer (AK) zur Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) nahmen nach Polizeischätzungen 350 Personen teil. Viele bekannte Autoren wie Marlene Streeruwitz, Robert Schindel, Heinz R. Unger, Barbara Neuwirth, Sabine Gruber oder Gustav Ernst und Künstler und Kulturschaffende wie der Schauspieler Erwin Leder, der Musiker Wolfgang "Fadi" Dorninger oder der Regisseur Peter Gruber nahmen an dem Protestzug teil. "Wer Kunst will, soll sie bezahlen", hieß es auf einem Transparent, und: "Festplattenabgabe jetzt!"

"Das erste Mal in der Geschichte Österreichs demonstrieren heute Künstlerinnen und Künstler gegen die Arbeiterkammer und die Wirtschaftskammer", sagte Gerhard Ruiss, Geschäftsführer der IG Autoren Autorinnen und einer der Organisatoren der Kundgebung, am Vormittag bei einer Pressekonferenz. "Die Lage ist ernst, aber nicht unabänderlich ernst."

 Eine "feste Platte" in Form einer massiven Steinskulptur von Ulrike Truger wurde  im Rahmen des Protestmarsches vor dem Bildungszentrum der Arbeiterkammer (AK) mit einem Kran abgeladen. Die Skulptur soll bis auf Weiteres vor dem Eingang aufgestellt bleiben. "Viel Vergnügen, liebe Arbeiterkammer", wünschte Gerhard Ruiss, Geschäftsführer der IG Autoren Autorinnen und einer der Organisatoren der Kundgebung, ehe die Demo Richtung Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) weiterzog, wo bei einer Abschlusskundgebung Elektronikschrott in Form alter Festplatten deponiert werden soll.

Für  18 Uhr hat die "Initiative für Netzfreiheit" vom Sitz der AustroMechana zum Justizministerium zu einer Gegen-Demonstration gegen die Festplattenabgabe aufgerufen. Die Festplattenabgabe sei einseitig, nicht treffsicher und löse keine Probleme, argumentieren sie. Man protestiere "gegen unausgegorene politische Schnellschüsse zugunsten von Partikularinteressen einzelner Interessensvertretungen. Eine Festplattenabgabe ist der falsche Weg, künstlerische Leistungen wertzuschätzen und künstlerische Existenz materiell abzusichern."

AK für Kompromisslösung

Arbeiter-Direktor Werner Muhm stellte sich den Künstler- und Interessenverbänden und betonte: "Wir haben viel Verständnis für die Kunst." Der Status Quo sei tatsächlich unbefriedigend, die derzeitigen Vorschläge seien allerdings "nicht der Weisheit letzter Schluss. Wir wollen gerne in einen Dialog eintreten. Wir sind gesprächsbereit." Er rechne mit einer Kompromisslösung im Verlauf des kommenden Jahres. In einer Aussendung der AK hieß es dazu: "Es kann nicht sein, immer nur Tarife auf 'neue' Speichermedien auszudehnen und nichts an zugrundeliegenden Strukturproblemen zu ändern. Das derzeitige Vergütungsmodell passt nicht mehr in unser digitales Zeitalter."

Der Handelsverband betonte in einer Aussendung, man unterstütze "grundsätzlich das Ziel, die Einnahmen der KünstlerInnen nachhaltig zu sichern. Doch muss dies auf eine faire, den Konsumenten zumutbare und wirtschaftlich vernünftige Weise geschehen. Nur so lassen sich die gemeinsamen Ziele von Händlern und Künstlern verwirklichen. In der aktuell geforderten Form und Höhe schadet die Abgabe den Interessen der KünstlerInnen und dem Wirtschaftsstandort Österreich."

Unklarheiten in der bestehenden Gesetzeslage

Seit 1980 wurde das private Kopieren von urheberrechtlich geschützten Musik- und Kunstwerken, Filmen, Büchern und Fotografien mit der Leerkassettenvergütung abgegolten. Diese wird zur Hälfte direkt an die Kunstschaffenden aufgeteilt, die andere Hälfte fließt in einen Fonds für "soziale und kulturelle Einrichtungen" (SKE), aus denen sozial bedürftige Künstler und Nachwuchskünstler gefördert werden. Diese Erlöse seien in den vergangenen fünf Jahren von 18 Mio. auf 8 Mio. Euro geschrumpft, hieß es. Auf der anderen Seite habe eine Befragung ergeben, dass ein heutiger Konsument durchschnittlich 4.300 urheberrechtlich geschützte Werke auf seiner Festplatte gespeichert habe, berichtete Ruiss bei der Pressekonferenz am Morgen.

Seit Oktober 2010 hebe der Handel die Festplattenabgabe bereits ein, gebe sie aber nicht weiter. "Wo ist sie? Bei uns ist sie nie angekommen. Wir wollen so nicht mehr weitermachen. Wir haben mit der Arbeiterkammer seit 32 Jahren einen Gegner, der alle unsere Urheberrechtsbemühungen blockiert", so Ruiss. Und der Musiker Peter-Paul Skrepek: "Wir wünschen uns nicht, wir fordern die Bezahlung der Privatkopie!"

Der derzeitige Streit der Urheberrechtsgesellschaften mit dem Handel ist auch mit Unklarheiten in der bestehenden Gesetzeslage begründet. Es gebe erste Entwürfe zum Schließen der bestehenden Lücken, doch in den damit befassten Gremien herrsche eine Blockadepolitik von AK und WKÖ, so Ruiss. "Die Argumente sprechen ganz klar für uns. Wir haben die klare Zustimmung der beiden zuständigen Ministerinnen (Claudia Schmied, S, für Kultur und Beatrix Karl, V, für Justiz, Anm.) und auch von der Kultursprecherin der VP. Es spricht politisch nicht viel dagegen, uns die Festplattenabgabe endlich zu geben und sich endlich wirklich um die soziale Lage der Künstler zu kümmern. Aber wir haben erstmals die seltsame Situation, dass wir die Regierungsparteien hinter uns haben, die Sozialpartner aber gegen uns."

Das jüngst von den Grünen angeregte Modell einer Breitbandabgabe sieht Ruiss "im Moment als eine Art der Vertröstung. Wir lassen uns nicht weiter vertrösten und verschleppen. Wir können nicht von Verheißungen leben." Natürlich gehe es aber auch darum, bei künftigen Technologien urheberrechtliche Abgeltungen sicherzustellen. "Wir sind mit der Festplattenabgabe nicht am Ende, sondern am Anfang." Laut Skrepek seien etwa Smartphones als "Bild- und Schallträger" bereits von den derzeitigen Regelungen betroffen.

Teil der Plattform "Festplattenabgabe jetzt!" sind neben der IG Autorinnen Autoren unter anderem die Musikergilde, die ARGE Privatverlage, der Dachverband der österreichischen Filmschaffenden, die Grazer Autorinnen Autorenversammlung, die IGNM - Internationale Gesellschaft für Neue Musik, "Kunst hat Recht", das Künstlerhaus Wien, die Musikverleger Union Österreich, der Österreichische Musikrat, der Österreichische P.E.N.-Club sowie der Verband unabhängiger Tonträgerproduzenten, Musikverlage und Musikproduzenten Österreich.  (APA, 17.10.2012)