In Frankreich herrscht Aufregung rund um den Microblogging-Dienst Twitter. Wie man auf der Website JewPop zuerst thematisiert hat, wurde das Netzwerk in den vergangenen Tagen von antisemitischen Nachrichten, Witzen und Bildern unter dem Hashtag #UnBonJuif ("Ein guter Jude") geflutet. Das Tag schaffte es am 10. Oktober sogar in die landesweiten und weltweiten Trends.
Antisemitismus 2.0
"Antisemitismus 2.0" nennt der JewPop-Autor das Phänomen, Judenfeindlichkeit unter dem Deckmantel, sich über alles lustig machen zu dürfen. Angeblich hätte unter dem Tag ein "Festival harmloser Scherze" stattfinden sollen. Was im konkreten Fall freilich schnell auch User auf den Plan gerufen hat, die antisemitisches, rechtsextremes oder schlicht geschmacklose Beiträge ablieferten.
Von Witzen bis KZ-Fotos
So kursieren unter #UnBonJuif zahlreiche mehr oder weniger bekannte Witze, aber auch die üblichen Weltverschwörungstheorien und diverse einschlägige Karikaturen. Manche zogen aber selbst dort nicht die Grenze: Ein User postete gar das Bild eines stark abgemagerten Jungen, das möglicherweise in einem Nazi-KZ aufgenommen worden sein könnte. Ein anderer wiederum lud ein Foto hoch, dass eine Faust zeigt, durch die Asche rieselt. Dies sind nur zwei von zahlreichen Illustrationen und Bemerkungen dieser Art.
Gegenbewegung #UnBonRaciste mit spärlicher Beteiligung
Auch Kollateralschäden waren zu verzeichnen. Als - wenn auch weniger populäre - "Abspaltung" des Hashtags tobten sich diverse Twitterer auch unter #UnBonMusulman ("Ein guter Moslem") aus, mit ähnlichem Content. Eine Gegenbewegung entstand unter #UnBonRaciste, dort hielt sich die Teilnehmerschaft aber in deutlichen Grenzen.
SOS Racisme will gegen Verfasser vorgehen
Mittlerweile haben sich verschiedene Organisationen, etwa die Union der jüdischen Studenten in Frankreich (UEJF) und SOS Racisme. Beide zeigten sich betroffen und empört von der antisemitischen Welle. SOS Racisme will, soweit möglich, gegen einige der Beteiligten vorgehen. In Frankreich gab es bislang noch keine Verurteilung eines Users wegen rassistischer Twitterbotschaften oder ähnlicher Vergehen auf der Plattform.
Internationales Echo
Mittlerweile berichten auch internationale Medien über den Vorfall und die laufende Debatte um die Grenzen der Meinungsfreiheit in Frankreich, darunter die Huffington Post in den USA und die israelische Haaretz. In Frankreich selbst wurden die Ereignisse unter anderem von der Tageszeitung Le Monde zum Thema gemacht. (Georg Pichler, derStandard.at, 17.10.2012)