Kevin Martin alias The Bug kommt zu Elevate 2012.

Foto: Elevate

Graz/Wien - Wachstumszwang, ständig steigender Ressourcenverbrauch, die Zerstörung von Ökosystemen - dazu Wirtschaftskrise, Entdemokratisierung und politische Konflikte um Rohstoffe. Hunger, Elend, Armut: Es braucht längst nicht mehr die apokalyptischen Reiter und andere mit kräftigem Strich gezeichnete biblische Bilder vom Endkampf Gut gegen Böse, um globale Katastrophenszenarien als tatsächliche Bedrohungen erscheinen zu lassen.

Elevate the Apokalypse? Soll man spekulativ den Untergang, die Endzeit in die Auslage stellen - oder doch lieber auf andere Bedeutungen des Begriffsfelds wie Zeitenwende oder Offenbarung setzen?

Die heurige thematische Frage des in und um den Grazer Schlossberg abgehaltenen Festivals Elevate wird sich damit drei Tage lang in einem Symposium mit Themen wie "Am Puls der Klimakrise?", "Die große Krise des Kapitalismus", "Tschernobyl...Fukushima...Krsko?", "Gutes Essen für alle" , "Demokratie neu entwickeln!" oder, besonders hübsch, "Dialogforum: Angst?" beschäftigen. Als Teilnehmer wurden unter anderem Vertreter von Occupy Wall Street, die ehemalige US-Präsidentschaftskandidatin Cynthia McKinney, Kathrin Röggla, Kurt Langbein oder Umweltaktivistin Polly Higgins (Eradicating Ecocide) eingeladen. Noam Chomsky grüßt in einer Videobotschaft.

Auch die nächtliche Programmleiste des Elevate wird sich zwangsläufig diesem Thema widmen. Der Zeit ihre Kunst. Und der Zeit scheint ihr Sinn heute nach Um- oder Zusammenbruch zu stehen. Wir hören bedrohliche Bässe und die Bausubstanz sozialer Räume gern auch neben den Takten abklopfender Beats von der DJ-Kanzel. Mit Klappcomputern, aus denen nicht nur die Finanzmarktkrise, sondern auch die Fliegeralarmsirenen, knarzende und kreischende Synthesizerklänge, das Filesharing und die Occupy-Bewegung leaken, kann man auch gut den Tanz auf dem Vulkan veranstalten. Party nicht ohne, sondern mit Ende.

Von 24. 10. bis 28. 10. hat man in Clubs wie dem Dom im Berg, dem Parkhouse oder dem Keller des Forum Stadtpark fröhlich mit der Lust am Untergang (und den stählernen Nerven des Publikums) arbeitende Acts wie die Duos Radikal Satan aus Frankreich oder das armenische Wattican Punk Ballet gebucht. Sie stehen heuer für den Missbrauch traditioneller Instrumente wie Akkordeon, Bass, Gitarre oder Schlagzeug unter besonderer Berücksichtigung von Laptopzuspielungen. Bei der Fragestellung "Laut oder leise?" haben sie sich für "Umgreifen und Hysterie!" entschieden.

Neben dem medienscheuen genialischen US-House-Gott Moodyman alias Kenny Dixon Jr, heimischen DJ-Faktoten und neueren Clubsensatiönchen wie den britischen Acts Mosca mit UK Garage oder Letherette mit Gesangs-Sample-Öd-House dürften vor allem zwei Partys gestürmt werden.

Am Staatsfeiertag kuratiert der britische Produzent Kevin Martin alias The Bug eine Nacht im Dom im Berg. Schwere Empfehlung: dessen Album London Zoo oder sein zweites Projekt King Midas Sound! Mit DJ Rashad und DJ Spinn hat er führende Vertreter des schwer gehypten Juke- oder Footwork-Stils aus Chicago und Musik im Programm, die man sich als Vogerltanz auf turbofrisierten Hip-Hop-Beats vorstellen muss. Dazu kommt düsterer digitaler Endzeit-Dub von Ras G und Disrupt sowie The Bug selbst. Nachts darauf präsentiert der japanische DJ Scotch Bonnet mit Gästen wie Sensational spinnerten HipHop zwischen Gameboy-Sounds und Designerdrogen. (Christian Schachinger, DER STANDARD, 18.10.2012)