Wien - Normalerweise bäckt man in Karlstetten kleine Brötchen. Einer der " Höhepunkte" seiner Amtszeit war die "Inbetriebnahme des Tanklöschfahrzeuges der Freiwilligen Feuerwehr" im Juni 2010, schreibt Bürgermeister Anton Fischer im aktuellen Gemeindeblatt. Pro Jahr stehen der niederösterreichischen Kleinkommune, die etwa zehn Kilometer nord-westlich von St. Pölten liegt, rund 3,5 Millionen Euro an Einnahmen zur Verfügung.

Stark gestiegener Frankenkurses führt zu Fiasko

In den vergangenen Jahren hat man aber auch kräftig am Spekulationsrad gedreht. Mit der Raiffeisenlandesbank Niederösterreich-Wien wurde ein Swap-Geschäft im Volumen von 3,6 Millionen Euro abgeschlossen. Es handelt sich dabei um ein vom Euro-Franken-Kurs abhängiges Zinstauschgeschäft. Wegen des seit 2009 stark gestiegenen Frankenkurses wurde es zu einem Fiasko. Im September des Vorjahres lag der drohende Verlust bei 1.355.600 Euro. In den folgenden Monaten wurde mit der Bank ein Vergleich ausgearbeitet. Der Vertrag wird aufgelöst, dafür zahlt Karlstetten bis 2022 rund 717.000 Euro an Raiffeisen.

Der Fall ist gleichzeitig typisch und untypisch für kommunale Spekulationsgeschäfte. Typisch, weil nicht nur größere Städte wie Linz riskante Geschäfte abgeschlossen haben, sondern auch zahlreiche kleinere Gemeinden. Und untypisch, weil im Fall Karlstetten der Schaden immerhin im Gemeinderatsprotokoll veröffentlicht wurde - und jener für die Umlandgemeinden Kirchberg, Rabenstein, Neidling, Haunoldstein und Obritzberg-Rust gleich mit.

Häufig wird nämlich ein Mantel des Schweigens über die Swap-Verluste gelegt. Einen Überblick für ganz Österreich hat niemand. Finanzministerin Maria Fekter (VP) gab in einer parlamentarischen Anfragebeantwortung 2011 an, es handle sich um keinen Vollzugsbereich ihres Ressorts. Nur so viel: Seit 2004 habe keine Gemeinde bei der staatlichen Bundesfinanzierungsgesellschaft um Beratung angefragt.

Ausmaß der Spekulationsgeschäfte

In der Finanzbranche geht man daher davon aus, dass das wahre Ausmaß der Spekulationsgeschäfte weit über das öffentlich bekannte hinausgeht. "Die meisten Gemeinden kommen erst zu uns, wenn der Hut schon brennt", berichtet Werner Lehner von der auf Gemeindefinanzen spezialisierten Beratungsgesellschaft WG Finanzservice GmbH. Zusatz: "Wir klären die Leute über ihre Risken auf. Häufig kommt dann aber kein Beratungsgeschäft zustande, weil viele Gemeindepolitiker glauben, dass sie sich besser auskennen."

Auf lokaler Ebene wurden freilich trotzdem einige Fälle publik - vor allem in Niederösterreich, aber auch in Oberösterreich, Burgenland und Salzburg. Raiffeisen bestätigt Vergleichsverhandlungen mit 16 niederösterreichischen Gemeinden. In der Regel wird Stillschweigen vereinbart. Karlstetten-Bürgermeister Fischer kann sich freilich auch an eine Besprechung in der Landesregierung erinnern, bei der rund 30 Gemeinden anwesend waren.

In der 9000 Einwohner starken Stadt St. Valentin wird noch verhandelt, wie Stadtrat Andreas Pum erklärt. Der drohende Verlust liegt dort bei 3, 6 Millionen. Pum, der für die ÖVP auch im Landtag sitzt, ist heute der Ansicht, "dass Spekulation mit öffentlichem Geld in jedem Bereich abzulehnen ist". Seinerzeit habe man das Risiko falsch eingeschätzt.

Nur rote Gemeinden klagen

Hartnäckig hält sich in Niederösterreich das Gerücht, den schwarzen Gemeinden sei Unterstützung vom Land angeboten worden, wenn man sich außergerichtlich mit Raiffeisen einige. In der Gemeindeabteilung des Landes wird das bestritten. Fakt ist jedenfalls, dass bisher nur die roten Gemeinden St. Pölten und Bruck an der Leitha geklagt haben. Und: Seit kurzem müssen die Gemeinden riskante Geschäfte beim Land, das selbst mit Verlust aus der Veranlagung von Wohnbaugeldern zu kämpfen hat, melden.

In anderen Bundesländern ist die Informationslage noch dünner. In Salzburg gab das Land eine Liste von zwölf Gemeinden bekannt, die Fremdwährungskredite haben - unter anderem Saalbach und Bad Hofgastein. Die Gemeinde Mattsee, die Verluste von 1,6 Millionen einfuhr, fand sich freilich nicht darauf. (Günther Oswald, DER STANDARD, 18.10.2012)