St. Pölten/Wien - Wenn Walter Bogner bei einem Bürgermeister auftaucht, fällt die Begrüßung meist "nicht sehr erfreut" aus, wie der Beamte zugibt. "Es wäre gelogen, wenn ich etwas anderes sagen würde." Bogner wacht als Sanierungsreferent Niederösterreichs über die Entwicklung der Sanierungsgemeinden. Das sind jene derzeit rund 30 Gemeinden im Land, die den ordentlichen Haushalt aus eigener Kraft nicht ausgleichen können und deshalb unter Kuratel des Landes stehen.

Bogner und seine Mitarbeiter durchleuchten dann die Ausgaben und Einnahmen, erstellen mit den Zuständigen ein Sparkonzept und wachen streng über jede geplante Investition. Bevor Bogner zur Tat schreiten kann, muss der jeweilige Gemeinderat sich aber erst einmal darüber einigen, Sanierungsgemeinde zu werden.

In Groß-Siegharts im Waldviertel gingen diesem Ende 2011 gefällten Beschluss hitzige Diskussionen voraus, erinnert sich Bürgermeister Maurice Androsch (SP). Es sei dann aber klar gewesen, dass es in der Stadt mit 2790 Einwohnern "einfach nicht mehr anders ging". Im Haushaltsvoranschlag für 2012 stand ein erwarteter Abgang von rund 725. 000 Euro. Was Groß-Siegharts so weit brachte: schwindende Einwohnerzahlen und damit verbunden Einbußen bei den Einnahmen aus den Ertragsanteilen.

Sinkende Einwohnerzahlen

Innerhalb von zehn Jahren ist Groß-Siegharts' Bevölkerung um rund zehn Prozent geschrumpft. Auch im Budget von Raabs an der Thaya, das im gleichen Bezirk (Waidhofen an der Thaya) liegt, sinken die Einwohnerzahlen - es ist ebenso eine Sanierungsgemeinde. Ein laut Bogner häufiger Grund für budgetäre Probleme von Gemeinden ist auch, dass ein Betrieb abwandert oder Mitarbeiter abbaut, wodurch Kommunalsteuereinnahmen ausbleiben. Aufgrund eines Swap-Geschäfts sei keine Gemeinde Sanierungsgemeinde geworden, heißt es von Landesseite; das sei immer mit dem Wegfall langfristiger Einnahmen verbunden.

In Groß-Siegharts haben die budgetäre Lage und das Eingreifen des Landes zur Folge, dass die Gemeinde Gebühren erhöhen muss und der von einem Verein organisierte Schüler- und Kindergartentransport weniger Förderung erhält. Auch an der Anzahl der Gemeindebediensteten - Medien berichteten von 37 Mitarbeitern - hatte das Land etwas auszusetzen.

Für eine Einigung zwischen Land und Gemeinde auf Sanierungsschritte bedarf es oft stundenlanger Diskussionen. "Man muss aufpassen, dass man nicht zu einem Verwaltungsapparat reduziert wird", meint Bürgermeister Androsch. In St. Pölten könne man schwer beurteilen, was vor Ort wichtig sei.

Landesreferent Bogner schildert wiederum, dass er in Bezug auf die Umsetzung unbeliebter Maßnahmen oft "das kann ich nicht machen" zu hören bekommt. "Da schaut man dann zum Beispiel, ob man das schrittweise umsetzen kann." In Bezug auf Gebührenerhöhungen kann das eine schrittweise Anhebung über mehrere Jahre bedeuten.

Wie lange eine Gemeinde ein Sanierungsfall ist, hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab. Bogner ist mit einer Sanierungsgemeinde durchschnittlich etwa drei bis fünf Jahre befasst. Immer wieder seien Gemeindevertreter direkt froh über seine Hilfestellung, sagt der Landesbeamte. Vor allem im Nachhinein vernehme er meist ein positives Echo. (Gudrun Springer, DER STANDARD, 18.10.2012)