Unerklärliche Erschöpfungszustände: Hausfrau Bia (Maeve Jinkings, M.) erhält vom findigen Nachwuchs eine Entspannungsmassage.

Foto: Viennale

Bia (Maeve Jinkings) ist genervt. Das Gebell eines Hundes in der Nachbarschaft raubt ihr die Ruhe, die Schwüle ebenso. Da hilft es auch nicht, dass zweckentfremdete Haushaltsgeräte und wohlgeratene Kinder vorübergehend für Spannungsabbau sorgen.

João (stimmig verkörpert vom Künstler und Filmemacher Gustavo Jahn) ist erst seit kurzem wieder da. Der Enkel eines Zuckerbarons sieht in dessen Immobilien ein wenig nach dem Rechten, führt Interessenten durch leerstehende Apartments. Vor allem will er die Zeit mit seiner neuen Freundin genießen. Dass nachts das Radio aus ihrem auf der Straße geparkten Auto verschwindet, lässt sich rasch klären. Es ist aber auch Indiz für eine latente Unsicherheit, die auf den Menschen lastet und die einer krassen sozialen Ungleichheit geschuldet ist.

Fragiler Mikrokosmos

O som ao redor / Neighbouring Sounds, das Spielfilmdebüt des 1968 geborenen brasilianischen Kritikers und Filmkurators Kleber Mendoça Filho, ist im Mikrokosmos rund um einen Wohnblock in dessen Heimatstadt Recife angesiedelt. Die Bewohner dort sind gutgestellt, aber die Armen leben nur einen Ballwurf weit entfernt. Im Verlauf des Films nimmt ein privater Wachdienst auf den nächtlichen Straßen die Arbeit auf - das hebt das Sicherheitsgefühl im Viertel, aber es bekräftigt zugleich auch die Gefahr. Dieser unentschiedene Zustand bestimmt die Atmosphäre des Films, der gewissermaßen einen Thrillerplot und ein Stück jüngerer brasilianischer Geschichte in den Wendungen seiner fragmenthaften Erzählung verbirgt und mitunter an den magischen Realismus eines Apichatpong Weerasethakul gemahnt.

Neben dem punktuellen Changieren zwischen Wirklichkeit und (Alb-)Traum, einem generellen Gestus der Andeutung, wird die Spannung des Films wesentlich vom Sounddesign mitgetragen, für das der Regisseur und Autor - ebenso wie für den Schnitt - mitverantwortlich zeichnet.

Beim Filmfestival Rotterdam mit dem Preis der internationalen Filmkritikervereinigung Fipresci ausgezeichnet, hat O som ao redor seither unter anderem in den USA für positive Resonanz gesorgt. Das Österreichgastspiel bei der Viennale sollte man sich - bis zum Knalleffekt am Schluss! - nicht entgehen lassen. (Isabella Reicher, Spezial, DER STANDARD, 19.10.2012)