Olga Neuwirth ist die Hauptkomponistin des diesjährigen Festivals Wien Modern. Los geht's am Montag mit ihrer "Hommage à Klaus Nomi".

Foto: Marion Kalter

Wien - "Mich faszinieren Menschen, die etwas ganz Eigenes verfolgen, mit all den Konsequenzen, die sich daraus ergeben, ohne Kompromisse einzugehen." - Was Olga Neuwirth in einem früheren Standard-Gespräch sagte, könnte auch für sie selbst gelten. Seit etlichen Jahren ist die Komponistin mit der originellen Handschrift und der handfesten Rhetorik aus dem internationalen Musikleben nicht mehr wegzudenken.

Das liegt natürlich vor allem an ihrem umfangreichen Werk, das absolute Musik in schillernden Farben beinhaltet, aber auch überaus suggestive Arbeiten für Film und Theater umfasst. Und es liegt insbesondere an ihren Musiktheaterarbeiten, von denen in diesem Jahr bereits zwei neue dazugekommen sind: The Outcast über den Moby-Dick-Autor Herman Melville wurde im Mai in Mannheim unter Widerstand der Komponistin aufgrund der Realisation uraufgeführt; American Lulu kam als "Neuinterpretation von Alban Bergs Oper" in Berlin heraus.

Neuwirths öffentliche Präsenz hat aber auch damit zu tun, dass sie sich mit deutlichen Aussagen zu Wort meldet, wenn es ihr geboten erscheint. " Ich lasse mich nicht wegjodeln", schmetterte sie anno 2000 der ÖVP-Koalition mit der damaligen FPÖ Jörg Haiders entgegen, und ihre Eröffnungsrede zum Steirischen Herbst 2003 machte sie unversehens zur Performance mit elektronisch veränderter Stimme und einem gigantischen Aufschrei an deren Ende.

Häufig wechselt ihr Tonfall auch musikalisch ins Groteske, ist voll mit schwarzem Humor, verzerrt Anklänge an Bekanntes zur Kenntlichkeit. Kultstatus besitzen ihre Bearbeitungen der Songs von Klaus Nomi, die sie nun in eine neue Form gebracht hat. Am Beginn eines umfangreichen Porträts der Komponistin beim Festival Wien Modern werden sie am Montag im Theater an der Wien zu hören sein. Zweites Stück der Eröffnung ist Kloing! für den computergesteuerten Bösendorfer-Flügel CEUS und den Pianisten Marino Formenti, der live gegen den Flügel sozusagen ankämpft.

Standard: Zwei Opernuraufführungen in einem Jahr, Hauptkomponistin bei Wien Modern: Fühlen Sie sich heute anerkannt?

Neuwirth: Zwei Opern in so kurzer Zeit komponieren zu müssen, war eine reine Selbstausbeutung. Man kennt meinen Namen, ja, aber wenn Sie wüssten, dass ich um jeden Auftrag, jede kleine Sache immer von Neuem kämpfen muss, als ob ich eine Anfängerin wäre, dann weiß ich nicht, was dieses Wort für mich bedeutet. Das glaubt mir sicherlich niemand, aber das ist meine Realität. Auch werde ich nicht jünger, ich habe für ständige Querelen einfach weniger Kraft. Anerkannt wäre ich vielleicht, würde man Respekt vor meinen Wünschen bei der Umsetzung meiner Werke haben. Anerkennung heißt aber auch, eine Professur oder einen Lehrauftrag zu bekommen. Dafür war ich scheinbar nie gut genug.

Standard: Sie gelten als streitbar.

Neuwirth: Ich habe nichts gegen Auseinandersetzungen, die sind gesund. Es könnte aber einmal leichter werden statt schwerer.

Standard: Sie haben einmal gesagt, Österreich habe ein eigenes Problem, wie es mit seinen Künstlern und Wissenschaftern umgehen soll. Kann es nicht auch ungeheuer produktiv machen, sich unverstanden zu fühlen?

Neuwirth: Nein, das weist auf eine rein romantische Vorstellung hin und hat mit der Realität nichts zu tun.

Standard: Die größte Umwälzung in der Kunst des 20. Jahrhundert war wahrscheinlich die Auflösung der Grenzen zwischen den Künsten. Viele Ihrer Kollegen arbeiten allerdings weiter, als wäre nichts geschehen. Rudern Sie hier bewusst dagegen?

Neuwirth: Ich rudere doch nicht absichtlich gegen Tsunamis an! Diese ständigen inneren Entscheidungswellen beim Komponieren und Finden von Interessengebieten in einer Zeit, in der quasi alles möglich ist, sind mir hoch genug, um meine eigenen Ruder nicht zu verlieren.

Standard: Es fällt auf, dass Sie sich bei den Stoffen Ihrer Werke häufig an Außenseitern und an deren Kämpfen mit ihrer Umwelt orientieren. Was wäre es für eine Musik, die jemand in der Mitte der Gesellschaft schreiben würde?

Neuwirth: Das weiß ich nicht. Mich interessiert die Peripherie, die kenne ich besser.

Standard: Welche Kunst macht Sie glücklich?

Neuwirth: Nonsens-Literatur und Slapstick.

(Daniel Ender, DER STANDARD, 19.10.2012)