In den ersten Messeminuten reichte Hauser & Wirth McCarthys "Snow White Head" für 1,3 Mio. Dollar an eine europäische Sammlung weiter.

Foto: Christa Benzer

Angeblich war die Messe erst eine Minute eröffnet, schon verbuchte Hauser & Wirth den Verkauf eines neuen McCarthys: 1,3 Millionen Dollar ließ sich ein europäischer Sammler die weniger märchenhafte als monströse Plastik Snow White Head des amerikanischen Künstlers kosten. Eine frühe Erfolgsmeldung, die gute Stimmung verbreitete. Schließlich geht es darum die Kunst zu verkaufen, auch wenn sich die Londoner Frieze Art Fair das Diskursive von Anbeginn an die Fahne heftete.

Ihr Gespür für den Zeitgeist haben die Verantwortlichen (Amanda Sharp, Matthew Slotover) heuer neuerlich bewiesen: Dem Sprung über den Atlantik mit der ersten New Yorker Frieze im Mai folgte zum Herbsttermin im Regent's Park zeitgleich (11.-14. 10.) zur klassischen Frieze nun die ergänzende Premiere der Frieze Masters.

Die Zusammenführung von alter und zeitgenössischer Kunst mag zwar kein Novum sein, hier aber zelebrierte man derlei in verdichteter Form auf hohem Niveau. Feilgeboten wurden gotische Wasserspeier (Sam Fogg) und Heiligenbilder aus dem 15. Jahrhundert genauso wie Gemälde von Dorothea Tanning (Alison Jacques), Fotografien von Richard Avedon (Gagosian Gallery) oder Objekte von Donald Judd (David Zwirner).

Manche Teilnehmer bestückten beide Formate, andere, wie Hubert Winter, fokussierten auf das Neue und im Falle des Wiener Galeristen gleich doppelt: mit einer Präsentation von Fred Sandbank einerseits und mit Birgit Jürgenssen in der Sektion "Spotlight" andererseits.

Präsenter Postkolonialismus

Inmitten der "Meister" war Jürgenssen nicht die einzige Vertreterin der feministischen Avantgarde: Zu sehen gab es etwa spannende Solopräsentationen von Teresa Burger (Barbara Thumm), Esther Ferrer (Àngels Barcelona) oder auch von der rumänischen Künstlerin Geta Bratescu (Ivan Gallery), die seit den 1960er-Jahren eine zentrale Figur der osteuropäischen Konzeptkunst ist.

Dass die Frieze ihre anfängliche stark westliche Orientierung über die Jahre aufzubrechen versuchte, fand aktuell auch bei der zehnten Auflage eine Fortsetzung, etwa über den Zuwachs in der Sektion nichteuropäischer Galerien (Südamerika, China, Korea, Indien, Südafrika). In Bezug auf die heuer auffällig präsente Thematik "Postkolonialismus" hat die Ausweitung dazu einen spannenden Perspektivenwechsel gebracht. Denn während Jörg Herold (Eigen & Art) das Exotische in seinen Übermalungen bloß reproduziert, zeigen die "queeren" Fotografien der Documenta-Teilnehmerin Zanele Muholi (Galerie Stevenson) ein spannendes, junges Afrikabild.

Repräsentativ für den hier gepflogenen inhaltlichen Anspruch verführte Georg Kargl über Bernhard Leitners begehbare Soundskulptur, während Ursula Krinzinger (u. a. Bjarne Melgaard) auf performative und Martin Janda (u. a. Alessandro Balteo Yazbeck) auf konzeptuelle Arbeiten setzten. Die Stimmung an der Verkaufsfront war wie stets wechselhaft: Ropac gehörte zu jenen, die ihre Präsentation dank zahlreicher Verkäufe laufend nachjustierten. Bei anderen lief es unauffälliger, dafür auf respektablem Preisniveau: White Cube reichte Damien Hirst's Destruction Dreamscape für 500.000 Pfund weiter, Sprüth Magers Jenny Holzers Installation Blast für 525.000 Dollar, und Meyer Kainer notierte eine Reservierung für Franz Wests 650.000 Euro teuren Lemurenkopf. (Christa Benzer, Album, DER STANDARD, 20./21.10.2012)