Andrea Blei plädiert für Mediation vor Scheidung.

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STANDARD: Ein Paar in Trennung sucht Hilfe und zahlt tausende Euro für wenig wirksame Mediation. Kennen Sie das?

Blei: : Ja, Mediationskosten können ein Problem sein, vor allem bei Scheidungen, wenn es um Vermögensaufteilung geht oder noch keine Alimente fließen. Ich finde, es müsste hier einen völlig kostenlosen Zugang geben.

STANDARD: Aufgrund der Familienrechtsnovelle wird Mediation ab Februar 2013 vom Richter im Umfang einer Stunde angeordnet werden können. Wirkt diese dann anders als freiwillige?

Blei: : Ja, denn durch die gerichtliche Verordnung wird eine neue Voraussetzung geschaffen. Dem Richter geht es um Beweissicherung und die Frage, wer für die Zerrüttung Schuld trägt - dem Paar hingegen um den Versuch, ein Einvernehmen zu erzielen. Das passt nur schlecht zusammen. Aber vielleicht werden vom Gericht geschickte Paare öfter, als es derzeit der Fall ist, gemeinsam in die Beratung kommen. Das wäre immerhin ein Vorteil.

STANDARD: Aber kann man derlei Probleme überhaupt auf Anordnung bewältigen?

Blei: : Um Sorgerechtsstreit zu lösen, ist Freiwilligkeit besser. Daher sollten wir Beratung vom Gerichtverfahren so stark wie möglich entkoppeln. Sie sollte davor empfohlen werden, vielleicht beim ersten Kontakt der Betroffenen mit dem Gericht.

STANDARD: Sie meinen in einer Art vorgelagerten Abkühlungsphase?

Blei: : Ja, noch bevor das Gericht beginnt, die Frage der Schuld zu stellen, wie es laut Scheidungsrecht ja vorgesehen ist - und bevor Anwälte im Interesse des Einzelnen intervenieren. So könnten im System Familie vorab wichtige Dinge geklärt werden: beim Besuchsrecht, bei Obsorgefragen, in Patchworksituationen. Die Kinder müssten dabei unbedingt einbezogen werden, sonst geraten sie in immense Loyalitätskonflikte. Viele Männer werfen den Frauen ja vor, die Kinder zu manipulieren.

STANDARD: Auch Mediation und Familienberatung können scheitern. Was sind die Knackpunkte?

Blei: : Zum Beispiel, wenn Gewalt im Spiel ist. Dann fehlt oftmals jede Grundlage für Vertrauen, etwa für Treffen mit den Kindern - auch wenn ein Mann "nur" der Frau, nicht aber den Kindern gegenüber gewalttätig war. In solchen Fällen ist die Verletzung vielfach zu groß.

STANDARD: Woran merkt man das?

Blei: : Daran, dass für die Betroffenen die Vergangenheit allgegenwärtig ist und sie nicht in die Zukunft schauen können. So wie ja auch im Scheidungsverfahren eine vergangenheitsbezogene Sichtweise vorherrscht.

STANDARD: Wo läge hier die Lösung?

Blei: : Man sollte davon wegkommen, dass man in Obsorgefragen den Partner schlechtmachen muss, um etwas zu erreichen. Auch die künftige Lösung, dass gemeinsame Obsorge gegen den Willen eines Elternteils durchgesetzt werden kann, wird hier nichts ändern.

STANDARD: Also müsste das Scheidungsrecht reformiert werden?

Blei: : Genau. (Irene Brickner, DER STANDARD, 20./21.10.2012)