Alexander Kellner im Jahr 2006 bei der Präsentation einer Nachbildung des Sauropoden Maxakalisaurus topai.

Brasilien, da denken die meisten zunächst an Samba, Fußball, Regenwald und Strand. Die vielfältige und artenreiche Urgeschichte des Landes ist allerdings viel weniger Menschen ein Begriff.

Der brasilianische Paläontologe Alexander Kellner arbeitet daran, dass sich dies ändert. Kellner ist gebürtiger Liechtensteiner und ist mit seiner Familie schon als Kind nach Brasilien ausgewandert. Als Reptilienexperte ist er einer der führenden Fachleute für Pterosaurier. Insgesamt hat er an die drei Dutzend Spezies erstbeschrieben und benannt, darunter neben Flugsauriern auch zahlreiche Dinosaurier und Krokodile.

Kellner schreibt seine monatliche Kolumne "Caçadores de Fósseis" ("Fossilienjäger") seit 2004 für Ciência Hoje, das brasilianische Pendant zu "Scientific American". Das Wissenschaftsmagazin ist ein Projekt der Brasilianischen Gesellschaft für den Fortschritt der Wissenschaft. Für das Autorenportrait in seinem Blog zeigt er sich, passend für einen Jäger der urzeitlichen Schätze, mit Indiana-Jones-Hut.

In seiner aktuellen Kolumne mit dem Titel "Feras brasileiras" ("Brasilianische Biester") startet er eine kleine Artikelserie über die Dinosaurier Brasiliens.
Nachdem der erste brasilianische Dino erst 1970 beschrieben wurde, ist die Anzahl der bekannten Arten in den jüngsten Vergangenheit geradezu explodiert: sie hat sich von vier im Jahr 1999 auf nunmehr 21 Spezies verfünffacht.

Kellner erklärt die Schwierigkeiten, die mit einer derartigen Zählung verbunden sind: so war lange Zeit die Einordnung des ersten Dinobrasileiros Staurikosaurus pricei umstritten. Der Name Staurikosaurus bezieht sich auf das Sternbild "Kreuz des Südens", das die Flagge Brasiliens ziert und nur auf der Südhalbkugel zu sehen ist und ist ein Hinweis darauf, dass in den frühen 1970er Jahren ein Saurier der südlichen Hemisphäre noch etwas sehr Außergewöhnliches darstellte.

Mittlerweile ist die Einordnung von Staurikosaurus als zwar primitiver, aber doch echter Dinosaurier weitgehend anerkannt. Er gilt jedenfalls als einer der ältesten bekannten Dinosaurier, ursprünglich jedoch wurde dieser Status diskutiert und die Art als eine Vorgängerform der Dinos klassifiziert. Die Ursache für den Expertenstreit liegt in der Seltenheit und Unvollständigkeit des Fundes begründet: Staurikosaurus wurde auf Basis eines einzigen Exemplares beschrieben, von dem noch dazu große Teile nicht erhalten sind, so fehlen beispielsweise die Füße völlig.

Saturnalia tupiniquim, ein anderer primitiver Dinosaurier, machte es den Forschern einfacher: hier standen für die Erstbeschreibung gleich drei Exemplare zur Verfügung. Zwei der Skelette wurden während des Karnevals gefunden, daher wurde Saturnalia nach der altrömischen Entsprechung des Festes, den Saturnalien, benannt.

Einen weiteren Problemfall stellt Sacisaurus agudoensis dar: dieses spättriassische Reptil wird nicht zu den echten Dinosauriern gerechnet, sondern stellt eine Vorform dar. Von dieser Art wurden zahlreiche Überreste gefunden, darunter 15 Oberschenkelknochen. Das Außergewöhnliche daran: es handelte sich ausnahmslos um rechte Femora! Daher wurde die Spezies nach Saci benannt, einem einbeinigen koboldartigen Wesen aus der brasilianischen Folklore, mit dem die Kinder erschreckt wurden. (Mittlerweile gibt es übrigens sogar offiziell ein eigenes Saci-Fest, der "Dia do Saci" ist die brasilianische Antwort auf Halloween und wird am 31. Oktober gefeiert...)

Kellner beschließt seine Kolumne mit den "Paleocurtas", Kurzmeldungen aus der Welt der Paläontologie. Diesmal mit einem Österreichbezug im Programm: eine Studie über Muscheln aus der Trias des Kössener Beckens.

--> Caçadores de Fósseis: Feras brasileiras

(red, derStandard.at, 20.10.2012)