Walter Znenahlik vor kurzem in seinem Geschäft auf der Wagramer Straße. Also natürlich bei der Arbeit.

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Walter Znenahlik vor fast fünfzig Jahren auf dem Heumarkt. Also im Dress des WEV und natürlich baren Hauptes.

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Wien - Walter Znenahlik macht seit zwei Wochen wieder Liegestütze. Zwanzig. Jeden Tag gleich nach dem Aufstehen. Liegestütze waren ihm immer wichtig. Dass er drei Monate lang darauf verzichten musste, hat ihn fast mehr geschmerzt als die linke Schulter. "Ich hab Pech gehabt. Bin in Griechenland aufs Dach vom Haus gestiegen, um einen Ast vom Baum abzuschneiden, bin dann ins Leere gestiegen, drei Meter runtergefallen." Nicht nur der Ast, auch etliche Bänder waren ab, der Arm hing schlaff herab, Znenahlik fuhr aber eh selbst mit dem Auto zum Arzt, der das Gelenk einrenkte und riet, eine Zeitlang auf Liegestütze zu verzichten. "In meinem Alter", sagt Znenahlik, "operiert man nicht mehr."

Er ist Baujahr 1935, also 77 Jahre alt. Jetzt steht er in seinem Geschäft und hebt den linken Arm bis zur Waagrechten. "So weit geht's, weiter geht's nicht." Das Geschäft heißt "Znenahlik und Kucera", die beiden Partner verkaufen so gut wie alles, was mit Eishockey oder Inlinehockey zu tun hat. Nach diesem Winter verkaufen sie vielleicht das ganze Geschäft. Irgendwann muss Schluss sein. Znenahlik kommt schon jetzt nicht mehr täglich her, um zu verkaufen, Kufen zu schleifen und Schmäh zu führen. Aber er kommt oft. "Daheim würd ich nur meiner Frau fürchterlich zur Last fallen."  

Mentor Karl Schäfer

Eislaufen hat Znenahlik noch während des Kriegs gelernt, beim Engelmann in Hernals. "Wir haben gleich oberhalb gewohnt, in der Palffygasse, und mein Vater war begeisterter Eisläufer." Sommers wurde natürlich gekickt, doch winters trafen sich viele Kinder aus der Gegend auf dem Eis - oft schon vor der Schule, "um sieben Uhr in der Früh". Und nach der Schule trafen sie sich wieder. Znenahlik schnürte zunächst die Kunstlaufschuhe, sein Lehrmeister war Karl Schäfer, der Olympiasieger 1932 und 1936, Weltmeister 1930 bis 1936, Europameister 1929 bis 1936. "Der Engelmann", erinnert sich Znenahlik, "war eine wunderschöne Arena". Damals noch nicht auf einem Dach, sondern zu ebener Erd.

Die wunderschöne Arena, 1945 durch Bomben zerstört, wurde 1947 wiedererrichtet. Und Schäfer wurde für den kleinen Walter "ein väterlicher Freund". Der "Znene" sagt, er habe "dem Karli" viel zu verdanken. "Es war immer mein großes Plus, dass ich eisläuferisch besser war als die meisten anderen." Nicht zuletzt war es Schäfer, der Znenahlik zum Eishockey, zu den sogenannten Pimpfen, geschickt hatte, weil sein Schützling zwar Talent und Sprungkraft, aber für Musik und Rhythmus genau gar kein Gefühl hatte.  

Mit knapp 16 Jahren schaffte Znenahlik den Sprung in die "Erste" der WEG, er wurde auf Anhieb Meister. Zwei weitere Titel sollten folgen, 1956 und 1957 mit dem EKE. Ansonsten war meistens der KAC übermächtig. Znenahlik, der noch für Kitzbühel, den WEV, Feldkirch, Stadlau, Salzburg und Mödling spielte sowie den WEV, Stadlau, Lustenau, Mödling, Graz, Kapfenberg und Fischerbräu coachte, umschreibt die Duelle mit dem Rekordmeister aus Klagenfurt so: "Wenn du den KAC biegen wolltest, musstest du schon viel besser sein. Ein bisserl besser war nicht genug - dem KAC haben gern die Schiedsrichter ein bisserl geholfen."

Fotos und Zeitungsartikel  

In Znenahliks Geschäft liegt eine Mappe auf dem Tisch. Man sieht ihr an, dass sie mehr als fünfzig Jahre alt und durch viele Hände gegangen ist. Zuletzt diente sie den Herausgebern eines - übrigens heute, Montag, erscheinenden - Buchs über Profi-Eishockey in Österreich. Es heißt "Eishockey - Von Walter Znenahlik bis Michael Grabner", erscheint im Kral-Verlag und kostet 29,95 Euro. "Gib mir die Mappe zurück, wann du willst", sagt Znenahlik. Dabei enthält sie Dokumente aus einem halben Jahrhundert Eishockey. Walters Frau Renate hat sie angelegt hat unzählige Fotos und Zeitungsartikel eingeklebt.

Traurig ist, wie oft die Zeitungen den Namen des Eishacklers falsch geschrieben haben, Znehnalik und Znenahlik halten sich fast die Waage. Znenahlik hat sich daran gewöhnt, dass sie seinen Namen oft nicht hinbekamen. "Ist ja nicht einfach." Der Name hat tschechische Wurzeln, die Familie auch. Walters Großvater, ein Schneidermeister, war aus dem tschechischen Osten nach Wien übersiedelt.  

Walters Vater war Chemigraph, auch er selbst lernte den Beruf und übte ihn einige Jahre aus. Heute gibt es keine Chemigraphen mehr, sie übertrugen Filme oder Farbauszüge für Mehrfarbendruck fototechnisch auf präparierte Zink-, Kupfer- oder Magnesiumplatten und ätzten aus ihnen die nicht zu druckenden Teile heraus, woraufhin ein Klischee entstand, das als Druckstock im Hochdruckverfahren verwendet wurde. Heute gibt es die Digitalfotografie, und Mappen wie jene, die Renate angelegt hat, werden auch immer seltener.

Cuts und Zähne  

Damals, als Walter aktiv war, hat Renate die Cuts gezählt, mit denen er heimkam. "Sie ist am Ende auf achtzig Cuts gekommen." Mehr als zwanzig Jahre lang spielte er ohne Helm, erst 1972 kam die Helmpflicht. Beachtlich, dass immerhin von den unteren Zähnen etliche im Original erhalten sind. Die Cuts stammten weniger von verirrten Scheiben als von hohen Schlägern, mit denen die langsameren Gegner den Znene aufhalten wollten.

Von schlimmen Verletzungen blieb Znenahlik weitgehend verschont, ein Achillessehneneinriss, ein Wadenbeinbruch - nichts für einen, der so lange erstklassig Eishockey spielte. Noch mit 49 Jahren schnürte Znenahlik auf hohem Niveau die Schuhe, er war Trainer von Stadlau, und Not war am Mann. Stolz ist er darauf, dass er bei mehreren Klubs mit seinen Söhnen Walter und Peter auf dem Eis stand. Heute könnte er vom Geschäft in die Kagraner Eishalle spazieren, doch dort sieht man ihn selten. Er hält nicht viel von der Liga. "Zu viele Legionäre, zu wenig Identifikation."  

Thassos und Waldviertel

Seine Buben sieht Znene oft. Peter hat auf der griechischen Insel Thassos ein Haus gebaut, dort verbringt man mehr oder weniger gemeinsam den Sommer. Und dann gibt es noch den Bauernhof bei Heidenreichstein im Waldviertel. Mit dem Eishockeyspielen hat es sich aufgehört - wobei, nicht ganz. Am 24. Dezember, früher Nachmittag, wird traditionell drei gegen drei gespielt, und noch jedes Mal hat Znene mit Sohn Peter und einem Spezi gewonnen gegen Sohn Walter und dessen Söhne Oliver und Clemens. "Jetzt bin ich bedient, und die Enkerln werden stärker", sagt der Opa. "Heuer verliere ich." Er wird damit leben können - und weiter trainieren. Liegestütze. Vierzig am Stück sind sein Ziel. Dort ist er immer gewesen, dort will er wieder hin. (Fritz Neumann, DER STANDARD, 22.10.2012)