Dass die vergangenen beiden Jahre so katastrophal für ihn waren, mache seine Entscheidung, in die Vereinigten Arabischen Emirate zu gehen, rückblickend nicht unrichtig, hatte Eugen Adelsmayr stets betont. Dennoch ist sich der aus Oberösterreich stammende Mediziner bewusst, dass ihm "der Fall ein Leben lang nachhängen wird".
Der Fall, sein Fall, endete für Adelsmayr am Sonntag in Abwesenheit mit einer Verurteilung zu lebenslanger Haft. Ein Gericht in Dubai sprach ihn am Tod eines pakistanischen Arbeiters schuldig, der 2009 mit schweren Wirbelverletzungen in das Rashid-Hospital eingeliefert worden war. Adelsmayr und ein indischer Kollege sollen den Patienten durch Unterlassung der Hilfeleistung sowie eine hohe Dosis Morphium getötet haben. Sein Mitangeklagter wurde freigesprochen.
2004 war dem aus Bad Ischl stammenden Anästhesisten und Intensivmediziner, der zunächst in Saalfelden das Sportgymnasium und danach sein Medizinstudium in Wien absolviert hatte, ein Stellenangebot im Internet aufgefallen: "Intensivmediziner für vier Wochen gesucht. Sheikh Khalifa Hospital, Abu Dhabi, Vereinigte Arabische Emirate." Adelsmayr, der zu dieser Zeit als Oberarzt an der Innsbrucker Uni-Klinik arbeitete und seit einer Marokko-Reise ein Faible für den arabischen Raum hatte, besprach sich mit seiner Frau Antonia und den beiden Söhnen Gabriel und Tassilo, nahm sich Urlaub und ging nach Abu Dhabi. Nach seiner Rückkehr ließ er sich an der Uni-Klinik karenzieren, um neuerlich in die Vereinigen Arabischen Emirate zu gehen. Seine Familie blieb daheim in Bad Ischl.
In Abu Dhabi erreichte ihn 2005 schließlich ein Angebot aus Dubai: Adelsmayr übernahm die Leitung der Intensivstation am Rashid-Krankenhaus. Ein "toller Karriereschritt", wie er sagt, der für ihn jedoch mit einem Prozess ab Juli 2011 und seiner Verurteilung am Sonntag endete.
Nicht einmal als bei seiner Frau eine Krebserkrankung diagnostiziert wurde, wollten ihn die Behörden ausreisen lassen. Erst nach langem Hin und Her kehrte er zu seiner Frau nach Österreich zurück, die im Jänner 2012 verstarb. Seine Geschichte hat der 53-Jährige, der jetzt an einer Privatklinik in Salzburg tätig ist, in einem kürzlich erschienen Buch niedergeschrieben. Der Titel lautet in Anspielung an ein Märchen Von einem, der auszog ... Bei den Gebrüdern Grimm heißt es weiter: ... das Fürchten zu lernen. (Bettina Fernsebner-Kokert, DER STANDARD, 22.10.2012)