Heidelberg - Während der letzten Eiszeit war der Wärmetransport im Atlantischen Ozean stärker als heutzutage. Das hat ein internationales Forscherteam unter Leitung von Umweltphysikern der Universität Heidelberg herausgefunden. Die Forscher haben mit Hilfe hochpräziser Messungen von natürlichen Radionukliden in Meeressedimenten die Zirkulationsstärke des Ozeans untersucht und dabei neue Erkenntnisse zur Vergangenheit der "Atlantischen Wärmepumpe" gewonnen. Ihre Erkenntnisse wurden im Journal "Nature Geoscience" veröffentlicht.
Bedeutung der Wärmepumpe heute
"Dank des Golfstroms und seiner nördlichen Ausläufer ist es hierzulande weit wärmer als auf denselben Breitengraden in Nordamerika. Ohne den Wärmetransport des Meeres würden in Nord- und Westeuropa deutlich kühlere Temperaturen herrschen", erläuterte Erstautor Jörg Lippold vom Institut für Umweltphysik der Universität Heidelberg.
Die "Fernheizung Europas" entspringt im Golf von Mexiko, wo sich das Meer aufheizt - und dann gelenkt durch Winde und die Erddrehung warmes Wasser nach Nord-Ost strömen lässt. Dabei kühlt das Oberflächenwasser ab, wird dadurch immer dichter und sinkt im Nordatlantik, um schließlich in der Tiefe wieder zurück nach Süden zu fließen.
Untersuchung des Rückflusses
"Diesen Rückfluss konnten wir nun mithilfe zweier Isotope aus Bohrproben im Tiefseesediment des Atlantiks erstmals quantitativ bestimmen", so der Umweltphysiker. Die beiden untersuchten Isotope (231-Protactinium und 230-Thorium) entstehen aus dem radioaktiven Zerfall des im Meerwasser natürlich vorkommenden Urans. Während Thorium ohne Umwege ins Sediment am Meeresboden eingelagert wird, folgt das Protactinium der Zirkulation und wird mit der Strömung der Tiefsee aus dem Nordatlantik befördert.
Das Mengenverhältnis der beiden Stoffe im Sediment spiegelt daher die Strömungsstärke wider. Um die Zeit der größten globalen Eisbedeckung vor rund 20.000 Jahren wurde im Verhältnis weniger 231-Protactinium gemessen. Wie Lippold erläuterte, kann dies, unterstützt durch Modellrechnungen, als eine Verstärkung der Atlantischen Zirkulation gedeutet werden.
Bedeutung für Klimaberechnungen
Für Modelle, mit denen die Zukunft des globalen Klimas berechnet werden soll, spielt die Erkenntnis, dass in der Eiszeit der Atlantik schneller zirkulierte, eine wichtige Rolle. Die Korrektheit der Vorhersagen von Klimamodellen wird nicht zuletzt daran gemessen, ob sie das Klima der Vergangenheit richtig wiedergeben können. "Ein entscheidender Faktor im Klimasystem der Erde sind die Ozeane. Im Meerwasser der Erde ist ungefähr 50 Mal mehr CO2 gebunden als in der Atmosphäre, und es besitzt deren 1.000fache Wärmespeicherkapazität", so der Forscher. "Wenn der Ozean damals schneller zirkulierte, konnte er auch mehr CO2 aufnehmen und der Atmosphäre entziehen."
Das Verstehen dieser Zusammenhänge hat für weite Teile Europas eine besondere Bedeutung: "Sollte sich im Zuge des Klimawandels das Meer erwärmen und sich durch Schmelzwasser oder vermehrte Niederschläge die Dichte des Wassers im Nordatlantik verringern, könnte die Wärmepumpe ins Stocken geraten. Das würde paradoxerweise in Europa zu einer Abkühlung führen, während sich der übrige Globus aufheizt", sagte Lippold abschließend. (red, derStandard.at, 27.10.2012)